Sturz der Titanen
geheim, aber er hatte sie eingeweiht, und Johnny hielt sie auf dem neuesten Stand.
»Dieser Kosakenhauptmann hat sich als Enttäuschung erwiesen. Fitz hat ein Bündnis mit ihm geschlossen, und wir haben ihn eine Zeit lang bezahlt, doch er war eher ein Räuberhauptmann. Trotzdem ist Fitz dort geblieben und hofft, die Russen zum Sturz der Bolschewiken ermutigen zu können. Inzwischen hat Lenin seine Regierung von Petrograd nach Moskau verlegt, wo er sich vor einer Invasion sicherer fühlt.«
»Wenn die Bolschewiken gestürzt werden, würde ein neues Regime den Krieg gegen Deutschland dann wieder aufnehmen?«
»Wohl kaum.« Johnny nahm einen Schluck Chablis. »Aber viele Mitglieder der britischen Regierung hassen die Bolschewiken.«
»Warum?«
»Weil Lenin ein brutales Regime führt.«
»Das hat der Zar auch getan. Trotzdem hat Churchill nie seinen Sturz geplant.«
»Im Grunde haben die Herrschaften Angst vor einem Erfolg des Bolschewismus. Sie fürchten, dass er dann demnächst hier bei uns an die Tür klopft.«
»Wenn er ein Erfolg ist – warum nicht?«
Johnny zuckte mit den Schultern. »Du wirst wohl nicht erwarten, dass jemand wie dein Bruder es genauso sieht.«
»Nein«, sagte Maud. »Ich frage mich nur, was er so macht.«
»Wir sind in Russland!«, rief Billy Williams, als das Schiff anlegte und er die Stimmen der Schauerleute hörte. »Was, zum Henker, suchen wir in Russland?«
»Wie können wir in Russland sein?«, fragte Tommy Griffiths. »Russland ist im Osten. Wir sind wochenlang nach Westen gefahren.«
»Wir haben die halbe Welt umrundet und sind von der anderen Seite nach Russland gekommen.«
Tommy war noch nicht überzeugt. Er lehnte sich über die Reling und ließ den Blick schweifen. »Die Leute hier sehen ein bisschen chinesisch aus«, sagte er.
»Sie sprechen aber Russisch. Sie klingen wie dieser Ponytreiber … wie hieß er noch? Peschkow. Der Bursche, der die Ponti-Brüder beim Kartenspiel übers Ohr gehauen hat und dann verduftet ist.«
Tommy lauschte den Schauerleuten. »Aye, du hast recht. Also, ich hätt’s nicht geglaubt.«
»Das muss Sibirien sein«, sagte Billy. »Kein Wunder, dass es hier so lausig kalt ist.«
Ein paar Minuten später erfuhren sie, dass sie in Wladiwostok waren.
Die Menschen sahen kaum auf, als die Aberowen Pals durch die Stadt marschierten, denn hier wimmelte es bereits von Tausenden uniformierter Soldaten. Die meisten waren Japaner, aber es gab auch Amerikaner, Tschechen und andere. Die Stadt hatte einen betriebsamen Hafen; Straßenbahnen fuhren über breite Boulevards mit modernen Hotels, Theatern und Hunderten von Geschäften. Wie in Cardiff, dachte Billy, nur kälter.
Als sie ihr Quartier erreichten, trafen sie auf ein Bataillon älterer Londoner, die von Hongkong hierherverlegt worden waren. Es ergab zwar Sinn, fand Billy, alte Knaben in dieses Kaff zu schicken; aber die Pals, auch wenn die Verluste sie dezimiert hatten, besaßen ebenfalls einen harten Kern aus kampferfahrenen Veteranen. Wer wohl die nötigen Fäden gezogen hatte, um sie von Frankreich auf die andere Seite der Erde zu bringen?
Billy fand es schon bald heraus. Nach dem Abendessen erklärte der Brigadekommandeur, ein träge wirkender Mann, der offenbar kurz vor der Pensionierung stand, dass Colonel the Earl Fitzherbert zu ihnen sprechen würde.
Captain Gwyn Evans, der Eigentümer der Warenhauskette, brachte eine Holzkiste herbei, in der einst Schmalzdosen gewesen waren. Fitz stieg darauf, was ihm seines schlimmen Beines wegen nicht leichtfiel. Billy beobachtete ihn ohne Mitgefühl; er sparte sich sein Mitleid für Stumpy Pugh und die vielen anderen ehemaligen Bergleute auf, die verkrüppelt worden waren, während sie die Kohle des Earls aus der Erde geholt hatten. Fitzherbert war selbstgefällig und arrogant und ein gnadenloser Ausbeuter der einfachen Leute. Eine Schande, dass die Deutschen ihm nur ins Bein geschossen hatten und nicht ins Herz.
»Unsere Mission besteht aus vier Teilen«, sagte Fitz und hob die Stimme, damit sechshundert Mann ihn verstehen konnten. »Erstens sind wir hier, um unser Eigentum zu schützen. Auf dem Weg vom Hafen sind Sie an den Bahngleisen vorbeigekommen und haben vielleicht ein großes Vorratslager bemerkt, das von Soldaten bewacht wurde. Auf diesem vier Hektar großen Gelände werden sechshunderttausend Tonnen Munition und andere militärische Versorgungsgüter gelagert, die von Großbritannien und den Vereinigten Staaten hierhergeschickt wurden,
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