Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Fall – um die Ponys.
    Lew schaute sich in seinem neuen Heim um. Es war kein Palast, aber es war sauber und trocken. Unten gab es einen großen Raum und oben zwei – ein Schlafzimmer für jeden von ihnen! Lew hatte noch nie ein eigenes Zimmer gehabt. Es gab keine Möbel, aber sie waren ohnehin daran gewöhnt, auf dem Boden zu schlafen, und im Juni brauchten sie nicht einmal Decken.
    Lew hatte keine Lust, das Haus zu verlassen, aber irgendwann trieb der Hunger ihn und Spirja hinaus. Im Haus gab es nichts zu essen; also machten sie sich widerwillig auf den Weg, um sich etwas zu besorgen. Ängstlich betraten sie den ersten Pub, an dem sie vorüberkamen. Die gut ein Dutzend Gäste funkelten sie wütend an, und als Lew auf Englisch sagte: »Zwei Pints Halb-und-Halb, bitte«, beachtete der Wirt ihn gar nicht.
    Betrübt stapften sie weiter hügelab ins Ortszentrum und entdeckten ein Café. Hier schienen die Gäste wenigstens nicht auf eine Schlägerei aus zu sein. Trotzdem saßen Lew und Spirja eine halbe Stunde an einem Tisch und schauten zu, wie die Kellnerin jeden bediente, nur sie nicht. Dann gingen sie wieder.
    Das Leben hier würde kein Zuckerschlecken werden, erkannte Lew. Aber es war ja nicht für lange. Sobald er genug Geld zusammenhatte, würde er nach Amerika weiterfahren. Das änderte aber nichts daran, dass sie bis dahin etwas essen mussten.
    Sie gingen in eine Bäckerei. Diesmal war Lew wild entschlossen, dass er bekam, was er wollte. Er deutete auf ein Regal mit Broten und sagte auf Englisch: »Ein Brot, bitte.«
    Der Bäcker tat so, als würde er ihn nicht verstehen.
    Lew griff über den Tresen hinweg und nahm sich das Brot, das er haben wollte. Soll er mal versuchen, es sich zurückzuholen, dachte er.
    »He!«, rief der Bäcker, blieb aber auf seiner Seite des Tresens.
    Lew lächelte und fragte: »Wie viel, bitte?«
    »’n Viertelpenny«, antwortete der Bäcker mürrisch.
    Lew legte die Münzen auf den Tresen. »Danke sehr«, sagte er.
    Lew brach das Brot entzwei und gab die eine Hälfte Spirja; dann schlenderten sie kauend über die Straße. Sie gelangten zum Bahnhof. Die Menge hatte sich aufgelöst. Auf dem Vorplatz stand nun ein Zeitungsverkäufer, dem die Blätter förmlich aus den Händen gerissen wurden. Was mag da geschehen sein, fragte sich Lew.
    Ein großes Automobil kam die Straße hinunter. Es fuhr so schnell, dass die beiden Russen aus dem Weg springen mussten. Fassungslos erkannte Lew die Person auf dem Rücksitz: Fürstin Bea.
    »Beim heiligen Sergej!«, stieß er hervor. Sofort war er im Geiste wieder in Bulownir und durchlebte noch einmal den Albtraum, wie sein Vater gehenkt worden war, während diese Teufelin zugeschaut hatte. So furchtbare Angst wie damals hatte Lew später nie mehr gehabt, und nichts würde ihm jemals wieder einen solchen Schrecken einjagen – keine Straßenkämpfe, keine Polizeischlagstöcke und keine Gewehre, die auf ihn gerichtet wurden.
    Das Automobil hielt vor dem Bahnhofseingang. Hass, Ekel und Wut überkamen Lew, als Fürstin Bea ausstieg. Das Brot schmeckte plötzlich wie Sand, und er spuckte es aus.
    »Was ist los?«, fragte Spirja.
    Lew riss sich zusammen. »Diese Frau da«, er zeigte auf Bea, »ist eine russische Fürstin. Vor vierzehn Jahren hat sie meinen Vater hängen lassen.«
    »Diese Hexe! Was tut sie hier?«
    »Sie hat einen englischen Lord geheiratet. Sieht so aus, als wohnten sie hier in der Nähe. Vielleicht gehört diesem Lord das Bergwerk.«
    Der Chauffeur und eine Zofe kümmerten sich um das Gepäck. Lew hörte, wie Bea Russisch mit der Zofe sprach, die in der gleichen Sprache antwortete. Die Frauen verschwanden im Bahnhofsgebäude. Dann kam die Zofe noch einmal heraus und kaufte eine Zeitung.
    Lew trat auf sie zu, nahm seine Kappe ab, verneigte sich tief und sagte auf Russisch: »Ihr müsst Fürstin Bea sein.«
    Die Frau lachte fröhlich. »Du bist ein Dummkopf. Ich bin Nina, ihre Zofe. Und wer bist du?«
    Lew stellte sich und Spirja vor und erklärte, dass sie Opfer eines Betrugs seien und schrecklichen Hunger leiden müssten.
    »Ich bin heute Abend wieder zurück«, sagte Nina. »Wir fahren nur nach Cardiff. Komm an die Küchentür in Ty Gwyn. Dann gebe ich euch kalten Braten. Folgt einfach der Straße in Richtung Norden, bis ihr an einen Palast kommt.«
    »Ich danke Euch, wunderschöne Dame.«
    »Ich bin alt genug, um deine Mutter zu sein«, sagte Nina, errötete aber trotzdem ein wenig. »Aber jetzt muss ich der Fürstin ihre Zeitung

Weitere Kostenlose Bücher