Sturz in den Tod (German Edition)
Seitenfenster, auf den Randstreifen,
obwohl ihr schon schwindlig war, davon oder von der zweiten Zigarette auf
nüchternen Magen oder von dem, was sie soeben bei der Polizei in Lübeck erlebt
hatte.
»Und morgen kommt die Polizei wieder bei mir an, weil ihr nichts
Besseres einfällt«, sagte sie, ohne den Blick von der Straße zu wenden.
»Es ist ihr Job, in alle Richtungen zu ermitteln«, erwiderte Jan.
»Du warst nun mal im Haus, als die alte Frau …«
»Es waren viele im Haus! Auch du warst inzwischen in der Wohnung!«,
fuhr Nina ihn an. »Die Polizei ermittelt nur in eine Richtung – und zwar
in meine! Wer weiß, wer hinter Frau Bergmann her war. Sie war reich, das
wussten viele. Sie ging außerdem regelmäßig ins Casino. Vielleicht hat jemand
sie dabei beobachtet, wie sie gewonnen hat. Vielleicht wusste jemand von dem
vielen Geld in ihrem Schrank!«
Jan fuhr am Ortseingang vorbei, an Penny, an Lidl, an KiK. Die Ampel
Höhe REWE war rot. Er hielt und sah Nina an.
»Welches Geld?«
» Das Geld. Eine Tasche voll im Schrank. Am
Tag vorher war es noch da. Und dann, als sie tot war, war es weg.«
»Woher weißt du das?«
Nina zog die Schultern hoch. Es war längst grün. Jemand hinter ihnen
hupte. Jan fuhr an.
»Ich höre das zum ersten Mal. Das hättest du doch der Polizei sagen
müssen! Das ist doch ein Motiv für Mord. Raubmord.«
»Ein Motiv, das man mir unterschieben würde!«
Jan hielt auf dem Parkplatz seines Büros am Hafen. Die Fähre, die
von der Seniorenresidenz Rosenhof kam, legte gerade an.
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Mir hättest du von dem Geld erzählen müssen. Ich bin dein Anwalt.«
Nina nickte. »Ja, vielleicht.«
Sie öffnete die Tür, stieg aus und beugte sich noch einmal zu Jan.
»Ich kann dir nur sagen, ich habe das Geld nicht. Und ich war es
nicht!«
»Nina, das behauptet doch kein Mensch!«
»Ach nein? Die Polizei, die Leute, sogar meine Mutter.«
»Ich meine, ich behaupte das nicht.«
»Du bist ja auch mein Anwalt.«
Jan stieg ebenfalls aus und lehnte sich ans Auto. »Ich bin nicht nur
dein Anwalt, ich bin auch dein Freund.«
Nina sah ihn fest an.
»Dann hilf mir, denjenigen zu finden, der es wirklich war,
denjenigen, der die alte Frau Bergmann vom Balkon gestoßen hat. Damit endlich
wieder Ruhe ist!«
Jan schüttelte den Kopf. In dem Moment, als er dagegenhielt, dass
das Sache der Polizei sei, fuhr auf Höhe des Parkplatzes mit langem, lautem,
dreimaligem Hupen die » MS Helena« durch die Trave aufs
Meer hinaus.
»Was hast du gesagt?«, rief Nina und ging davon. »Ich denke, du bist
mein Freund!«
Jan schrie gegen das Motorengeräusch der »Helena« an. Er werde ihr
helfen, schrie er.
Doch das hörte Nina nicht mehr.
***
Romy suchte in ihrer Tasche nach dem
Personalausweis. Die Frau, die die Gäste ins Casino einließ, Ausweise
kontrollierte und Männern gegebenenfalls Jacketts und Krawatten lieh, musterte
Romy von oben bis unten, mit einem Blick, der aussagte, dass sie eigentlich von
ihren Gästen angemessenere Kleidung wünschte als schwarze Jeans und eine
Lederjacke, auch wenn diese zweifellos teuer gewesen waren.
Romy lächelte der Frau ins Gesicht und bedankte
sich betont laut, als sie endlich eintreten durfte.
Drinnen war nicht viel los. An zwei Roulettetischen
standen ein paar Männer und Frauen und spielten konzentriert. Romy entdeckte
ihre Mutter an einem der Tische. Elisabeth Bergmann war die am besten
gekleidete Frau im Raum. Romy fühlte so etwas wie Stolz und ging dicht an ihr
vorbei in Richtung Bar. Dort entschied sie sich, Cuba Libre zu trinken, damit
sie wach und mutig blieb. Hastig aß sie ein paar Nüsse, die ihr der Barkeeper
hingestellt hatte.
Romy steckte sich eine Zigarette an und fixierte
ihre Mutter, die sich nicht die Mühe machte, Bargeld in Spiel-Jetons
einzutauschen, sondern in ihre Tasche griff und die Geldscheine direkt
einsetzte. So schnell, wie sie das Geld gesetzt hatte, verlor sie es. Der
Croupier strich es zügig in einen Spalt, ins Innere des Roulettetisches.
Elisabeth Bergmann schien das nichts auszumachen. Sie zog weitere Scheine aus
ihrer Tasche mit dem goldenen Engelskopf als Verschluss. Dicht neben ihr stand
der jüngere Mann, der Romy auf der Promenade aufgefallen war. Elisabeth
Bergmann wandte sich ihm gelegentlich lächelnd zu. Einmal berührte sie ihn an
der Hüfte und ließ ihre Hand dort eine Weile länger liegen, als eine Frau das
bei einem fremden Mann tun würde.
War er ihr Sohn? Romy war sich
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