Sturz in den Tod (German Edition)
dann dabei belassen, dass sie
sich am kommenden Morgen sahen.
Wollte die Polizei Nina vernehmen, weil sie inzwischen Beweise gegen
sie hatten? Oder nur, weil sie keine weiteren Anhaltspunkte hatten als den,
dass sie Nina in der Wohnung angetroffen hatten, kurz nachdem Frau Bergmann vom
Balkon gestürzt war?
Auf der Promenade klopfte Jan den Sand aus den Schuhen. Vor dem
geschlossenen Imbiss Bellevue saß ein Mann und hatte sich sein Abendessen und
eine Flasche Wein mitgebracht, um den Abend hier draußen zu genießen. Jan und
der Mann grüßten sich, obwohl sie sich nicht kannten.
Jan ging weiter und hatte das Gefühl, dass er immer langsamer wurde,
je näher er dem Haus seiner Eltern kam. Sicherlich würden die beiden kaum ein
anderes Thema haben als den Tod von Frau Bergmann. Sicherlich hatten sie die
Frau gekannt, vielleicht hatte Jans Vater sogar geschäftlich mit ihr zu tun
gehabt, ihr eine Wohnung verkauft oder eine für sie verkauft. Jan nahm sich
fest vor, gegenüber seinen Eltern nicht zu erwähnen, dass er die bisher
offenbar einzige Verdächtige in diesem Mordfall vertrat. Er würde auch nicht
erwähnen, dass er ebenfalls Frau Bergmann rechtlich vertrat, denn sie hatte ihr
Testament bei ihm hinterlegt. Etwas, das auch Nina noch nicht wusste. Jan würde
sich bis zum morgigen Termin eine Strategie überlegen, damit die Kripo Nina
endgültig in Ruhe ließe. Er musste als Anwalt offenbar vehementer auftreten.
Seine Mutter tischte Kabeljau auf, den sie frisch vom
Kutter am Hafen gekauft hatte. Dazu Salzkartoffeln, zerlassene Butter und einen
eiskalten weißen Burgunder. Jans Vater aß konzentriert und mit Genuss, während
Jans Mutter ständig beobachtete, ob ihre beiden Männer auch noch genügend auf den Tellern hatten. Währenddessen redete sie wie
erwartet über die »fürchterliche Sache«, die in Travemünde passiert war. Jan
gab sich unbeteiligt. Er betrachtete den Pool, der sich, nur durch eine große
gläserne Flügeltür vom geräumigen Esszimmer abgetrennt, nebenan im Salon
befand. Er fragte sich, wann seine Eltern wohl das letzte Mal darin geschwommen
waren.
Das warme Wasser im Pool dampfte, die vielen Grünpflanzen ringsherum
machten den Eindruck, als könnte man ihnen beim Wachsen zusehen. Die Anmerkung
seiner Mutter, dass es ja bereits eine Verdächtige geben solle, riss Jan aus
seinen Gedanken. Er zuckte mit den Schultern, als hätte er keine Ahnung.
»Junge, das musst du doch mitbekommen haben! Stand doch alles in
unserer Zeitung«, sagte die Mutter beinahe vorwurfsvoll.
»Nun lass ihn doch«, sagte sein Vater. »In Großstädten passiert fast
täglich ein Mord, und niemand regt sich mehr darüber auf. Und hier passiert
alle zehn Jahre mal was, und die Leute reden über nichts anderes mehr. Es gibt
wirklich schönere Themen beim Essen. Wie geht es dir denn, mein Großer?«
»Gut, alles prima«, sagte Jan und hoffte, dass das Gespräch nicht
noch einmal auf Frau Bergmann und damit indirekt auf Nina kommen würde.
Seine Eltern waren damals erleichtert gewesen, dass aus Jans und
Ninas Freundschaft, wie sie es nannten, nichts Ernstes geworden war, dass sie
an verschiedene Studienorte gingen. So liberal sich die Andresens gern gaben,
so fremd wäre es ihnen wohl vorgekommen, wenn sich ihr Einziger mit der Tochter
einer Witwe zusammengetan hätte, die in einem winzigen Haus in der Altstadt
wohnte, einen kleinen Strandladen betrieb und für fremde Leute im Maritim
putzte. Offenbar wussten Jans Eltern noch nicht, dass Nina zurück in Travemünde
war, und auch nicht, dass die Verdächtigungen in der Presse ihr gegolten
hatten. Und erst recht schienen sie nicht zu wissen, dass Jan sich längst
wieder mit Nina traf.
»Und in deinem Büro?«, fragte der Vater. »Kommst du klar? Kommt
genug dabei rum?«
»Ja, es läuft gut. Seit ich auch als Notar arbeite, habe ich
reichlich zu tun.«
»Das war überhaupt die beste Idee deines Vaters, dass du dich auch
als Notar niederlässt. Bei den vielen Immobilien, die er ständig verkauft. Die
Kunden kann er doch alle zu dir schicken. Und dann die ganzen Testamente. Und
bei Erbstreitigkeiten kannst du auch gleich alles regeln. Ich bin froh, dass es
bei uns niemals Streit geben wird. Bei uns ist ja ganz klar, wer alles
bekommt.«
Inge Andresen griff über den Tisch und streichelte Jans Hand. »Die
Firma und das alles hier …« Sie blickte hinüber zum Schwimmbecken im Salon.
»Schön haben wir es, findet ihr nicht auch? Gut geht es uns.«
Jan nahm sein
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