Sturz in den Tod (German Edition)
ließ das Ganze leicht wie Limo schmecken.
Romy wusste, wie betrunken dieses Zeug machen konnte.
Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, ihren Anbau geräumt und
die wenigen Sachen, die sie aus Berlin mitgebracht hatte, im Auto verstaut.
Heute sollte ihr letzter Tag in Niendorf sein. Die Segeltour mit Pasquale würde
der Abschluss werden. Sie mussten sich beeilen.
»Der Käufer hat mich gestern noch angerufen und gefragt, ob er das
Boot heute schon überführen kann, wenn es ihm gefällt«, log sie. »Ich habe ihm
gesagt, dass wir am späten Nachmittag wieder hier sind. Ich hoffe, du bist
nicht enttäuscht, dass wir nur noch diesen einen Tag mit dem Boot haben.«
Pasquale beteuerte, dass er überhaupt nicht enttäuscht sei, weil sie
dann mit dem Verkauf des Bootes alles erledigt hätten und endlich aufbrechen
könnten in ihr neues Leben. Er stand auf, küsste Romy auf die Stirn und zog
sich eilig an. Romy goss die Gläser erneut voll.
Als Pasquale sich die Hose anzog, hielt er inne. »Wir müssen nicht
mehr segeln. Wir können auch hierbleiben und auf den Käufer warten, wenn dir
das lieber ist.«
Romy hatte befürchtet, dass Pasquale Angst vor seiner eigenen
Courage bekam, weil er vermutlich gar nicht so gut segeln konnte, wie er
angegeben hatte. Hoffentlich. Vor Jahren, als er noch als erfolgreicher Autor
in Hamburg lebte, hatte er angeblich einen Kurs auf der Außenalster absolviert
und den Segelschein gemacht. Romy beteuerte noch einmal, wie sehr sie sich
darauf freute, dass er mit ihr hinaussegelte. Sie würde es auch so gern können.
Romy konnte segeln. Als sie vor Jahren in einer Kneipe am Wannsee
jobbte, hatte es ihr der Besitzer beigebracht, wenn er sie regelmäßig auf sein
Boot mitnahm, um mit ihr zu schlafen. Nachdem seine Frau hinter die Affäre
gekommen war, hatte er Romy gefeuert. Schweren Herzens, wie er beteuerte. Wie
eben immer alle irgendwas beteuerten, wenn sie sich aus der Affäre ziehen wollten.
Während Romy das Segelboot am Steg festhielt, löste Pasquale das Tau
und legte es auf dem Bug zu einer Schnecke. Ihr kam es vor, als dauerte es
Stunden, bis sie mit dem Paddel vom Anlegeplatz in die Mündung zur Ostsee
gelangt waren.
Pasquale schlug vor, zunächst mit dem Außenbordmotor hinaus aufs
Meer zu fahren und dann das Segel und die Fock aufzutakeln. Romy durfte am
Steuer sitzen und gab sich vertrauensvoll.
Die Ostsee wirkte ruhig. Der Wind hatte etwa Stärke zwei bis drei.
Das bedeutete Wellen, die bis einen Meter hoch waren. Für erfahrene Segler eher
Flaute als ideales Wetter. Für jemanden, der auf der Alster segeln gelernt
hatte, war das allerdings bereits eine Herausforderung. Pasquale kämpfte mit
dem Segel, es flatterte, als wollte es zerreißen. Er verstand nicht, weshalb es
sich nicht mit dem Wind spannte. Er merkte nicht, dass Romy durch ihre
Steuerung dafür sorgte, dass das Segel sich nicht spannen konnte. Sie trieben
mit dem Boot weit hinaus. Dann endlich fasste der Wind in das Segel und die
Fock. Das Boot nahm Fahrt auf.
Romy lobte Pasquale, der sich stolz auf die Reling setzte und die
Segel hielt. Romy hielt weiterhin das Steuer.
Sie entfernten sich immer weiter vom Ufer, so weit, dass es nur noch
als schmaler Streifen am Horizont zu sehen war, mit den unverwechselbaren
Hochhäusern in Timmendorf und in Travemünde. Immer höher werdende Wellen
klatschten gegen den Bug. Wasser spritzte über die Reling. Pasquale versuchte,
mit seinem Gewicht das Boot waagerecht zu halten. Romy lachte, als würde ihr
das Segeln gefallen. Sie wusste, was wohl auch Pasquale wusste: Sie mussten
unbedingt kreuzen, wenn sie jemals wieder in Ufernähe gelangen wollten. Mit
einem so kleinen Boot auf dem offenen Meer zu kreuzen, gehörte wohl zum
Schwierigsten, was man als Segler können musste, denn das Boot konnte dabei
leicht kentern. Pasquale drückte sich offenbar davor, und so segelten sie immer
weiter hinaus. So weit, dass selbst Romy sich zu fragen begann, wie sie jemals
wieder an Land kommen sollte. Sie bat Pasquale, kurz das Steuer zu halten,
kletterte in die Kajüte, kippte Becher mit Prosecco und Aperol voll und stieß
mit Pasquale auf die schöne Segeltour an. Pasquale trank zügig. Eine Welle
klatschte ins Boot. Romy und er wurden bis auf die Haut nass.
»Lass uns langsam umkehren«, bat Romy frierend.
Sie wusste, dass er mehrfach kreuzen und möglichst hoch am Wind,
abwechselnd Backbordbug und Steuerbordbug segeln musste, um in Richtung Land zu
gelangen. Pasquale war der
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