Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
kletterte hoch und sprang wie Holly, nur dass er hart auf seinen Knien landete. Das würde später mit Sicherheit noch ganz schön weh tun. Das Wasser spritzte am Rumpf des Motorbootes hoch; die Wellen kamen aus allen Richtungen.
Dad und ich stellten uns auf die Reling und sprangen gleichzeitig los. Wir landeten auf den Füßen.
»Wer war es?«, fragte Freeman Dad.
»Den hab ich noch nie gesehen.«
»Er hat behauptet, ich hätte jemanden umgebracht, eine Frau«, rief ich und zog Holly neben mich auf einen der Sitze.
Freeman und Dad sahen mich an, dann sagte Freeman: »Vielleicht ist es noch nicht passiert.«
»Ich weiß, dass es noch nicht passiert ist.« Abgesehen von dem Fußabdruck-Typen hatte ich noch niemanden umgebracht. Aber das war nur ein Halb-Sprung gewesen, also war er nicht wirklich tot.
»Wenn du ein Zeitreisender bist, warum kannst du dann nicht einfach ein paar Stunden in der Zeit zurückgehen und dafür sorgen, dass wir nicht an Bord gehen?«, wollte Holly wissen.
»Du hast es ihr gesagt?«, fragte Adam von der anderen Seite.
»So funktioniert es nicht, Hol.« Ich nahm ihre Hand und drückte sie ganz fest. »Manchmal wünschte ich, es wäre so einfach.«
Plötzlich sprang Holly auf und packte Freemans Schulter. »Warten Sie! Da draußen ist jemand!«
Adam, Dad und ich waren wie der Blitz an der Reling und versuchten, durch den Regen etwas zu erkennen. Tatsächlich stand auf einem Schwimmdock in Strandnähe eine kleine Gestalt.
»Sieht aus wie ein Kind«, meinte Freeman und wendete das Boot.
Wir alle zögerten, sogar Dad. Er war Angestellter der Regierung und sollte zeitreisende Schurken bekämpfen, aber nicht Kinder aus Unwettern retten. Ich warf einen Blick auf den Strand. Da standen keine verzweifelten Eltern und schrien nach dem Kind. Wahrscheinlich waren sie bereits Hilfe holen gegangen.
»Eigentlich müssen wir ja in die entgegengesetzte Richtung, zum Hafen«, rief Freeman, doch er versuchte bereits zu dem Schwimmdock zu steuern.
Von der Seite brach eine riesige Welle über das Boot herein und ergoss sich über Adam, Holly und mich. Der Motor machte ein lautes, krachendes Geräusch. Adam und ich sahen hin, weil wir erwarteten, dass jeden Moment Qualm aufstieg.
»Das verdammte Ding will nicht wenden!«, rief Freeman.
»Ich schwimme hin«, schrie ich so laut, dass alle es hören konnten. »Fahrt einfach ohne mich weiter.« Ich sprang vom Heck aus ins Wasser, bevor irgendjemand Einwände erheben konnte. Während ich schwamm, brachen Wellen über meinem Kopf zusammen. Als ich das Schwimmdock erreichte, konnte ich erkennen, dass es sich um ein kleines Mädchen handelte, vielleicht neun oder zehn Jahre alt, das seine Arme um einen Pfosten in der Mitte der Plattform geschlungen hatte. Merkwürdig war nur, dass das Mädchen vollständig bekleidet war: Jeans, ein langärmeliges Shirt und Turnschuhe.
Ich zog mich hoch und ging zu ihr. Ihr Gesicht und ihre langen, roten Haare wurden von dem Scheinwerfer des weit entfernten Bootes erleuchtet. »Kennen wir uns?«
Sie schüttelte den Kopf und klammerte sich weiter an dem Pfosten fest.
»Alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete sie. »Kommst du mit mir?«
Ich kniete mich vor ihr hin. »Wohin? Zurück ans Ufer?«
Sie schüttelte erneut den Kopf, und mich befiel ein leichtes Grausen. Während ich versuchte mich zu erinnern, wo ich sie schon einmal gesehen hatte, ließ sie den Pfosten los und nahm meine Hand. Sofort verspürte ich dieses Gefühl, auseinandergerissen zu werden, und wusste, dass wir sprangen. Wir beide. Es war ein Halbsprung. Aber wohin?
35
Das Erste, was mir auffiel, war die Stille. Kein Regenplätschern oder Donnern. Ich schlug die Augen auf und blickte mich um.
»Ist das eine U-Bahn-Station?«, fragte ich.
»Ja, aber hier ist niemand«, antwortete das Mädchen in einem förmlichen, erwachsen wirkenden Tonfall.
Ich kniete mich wieder vor sie hin und sah sie an. Sie war zart und dünn, sah Courtney aber sehr ähnlich. Sie wandte sich mir zu und schaute mich an. Ihre Augen waren blau, nicht grün.
»Warte mal … Ich hab dich schon mal gesehen, oder? Im Zoo?«
Sie wischte sich einen Wassertropfen von der Nase. »Ja.«
»Wer bist du?«, fragte ich.
»Ich bin wie du.«
»Wie heißt du?« Halb in der Erwartung, dass jeden Moment ein Zug durchraste, blickte ich mich in der leeren U-Bahn-Station um.
»Emily«, antwortete sie.
»Und du bist genau wie ich?«
Sie schüttelte den Kopf. »Fast, aber nicht genau so.«
»Also
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