Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
Augenblicke später schoss ein Rudel brauner Hunde mit schnappenden Kiefern um die Ecke. Emily und ich drückten uns mit dem Rücken an ein Gebäude, und sie nahm meine Hand. Ich rechnete damit, dass wir zurückspringen würden, aber sie stand nur wie angewurzelt da.
»Emily, wir müssen springen!«
Sie schloss kurz die Augen, und ich merkte, dass sie es versuchte, doch es passierte nichts. »O nein … Ich habe einen Fehler gemacht. Die dürften eigentlich gar nicht hier sein!«
Ihre Augen waren monströs weit aufgerissen, aber die Hunde drehten plötzlich ab und verschwanden in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Ich hatte knapp eine halbe Sekunde, um erleichtert aufzuatmen, da tauchten hinter derselben Ecke drei Männer auf.
Zumindest nahm ich an, dass es sich um Männer handelte. Sie hatten alle kahlrasierte Schädel und Gesichter ohne besondere Merkmale. Ihre Augen waren fast ganz weiß und ihre Haut praktisch durchsichtig. Man konnte die blauen und roten Adern unter ihrer Haut klar erkennen, als fehlten ein paar Schichten.
»Er hatte recht! Ich glaub’s ja nicht!«, triumphierte einer von ihnen.
Die Wut und die Rachegelüste, die die drei Männer ausstrahlten, ließen keinen Zweifel daran, dass sie nicht hier waren, um ein nettes Schwätzchen zu halten.
Emily rührte sich immer noch nicht, aber aus irgendeinem Grund befahl mir mein Instinkt, die Flucht anzutreten. Ich riss an ihrem Arm und zog sie vor mich. Wir rannten an der Seite des verfallenen Gebäudes entlang. Das hier war Panik der schlimmsten Sorte, und diesmal gab es keine Chance, dass mein Vater auftauchte und mich rettete, wie er es auf dem Boot getan hatte.
Der Rhythmus meiner Schritte war genauso schnell wie mein Herzrasen. Emily rannte mit wehenden Haaren neben mir her, und wir wirbelten noch mehr Schmutz vom Boden auf, der in meinen Augen und meinem Mund landete.
Sie warf mir angstvoll einen Blick zu. »Jackson, wegrennen nützt nichts. Wir müssen …«
Wir legten eine Vollbremsung hin, denn die drei Männer erschienen wie von Zauberhand direkt vor uns.
»Ich muss mich wundern, dass ihr überhaupt versucht, wegzurennen«, höhnte einer der Männer. »Warum weglaufen, wenn ihr doch springen könnt?«
Emily machte einen Schritt nach hinten, und ich schob sie zwischen mich und das Gebäude. Ihr heftiges Atmen zeigte mir ihre große Angst. Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb sie uns nicht hier rausbringen konnte.
Vor meinem geistigen Auge ging ich wieder und wieder Jenni Stewarts Diagramme durch. Doch es war, als ob der Rest von mir einfach wusste, was zu tun war – ohne darüber nachzudenken.
Einer der Angreifer machte einen Satz auf Emily zu. Als er sie fast erreicht hatte, trat ich ihm mit voller Wucht in die Magengrube, und er flog zurück. Sein Kopf knallte mit einem fiesen Geräusch auf den Bürgersteig. Dem zweiten Mann, der mich von der Seite angriff, rammte ich meinen Ellbogen ins Gesicht. Er taumelte rückwärts. In dem Moment gaben Emilys Beine nach, und sie rutschte an der Wand herunter.
»Kann ich es?«, fragte ich sie in höchster Anspannung. »Kann ich uns beide zurückspringen, wenn wir in der Zukunft sind?«
Sie sah mich mit ihren großen Augen an. Gerade wollte sie zu einer Antwort ansetzen, da schrie sie auf. »Jackson, pass auf!«
Der dritte Typ umklammerte von hinten meine Kehle. Ich hebelte sein Gewicht über meine Schulter und knallte ihn auf den Boden. Er schrie vor Schmerzen. Schnell zog ich Emily an den Armen vom Boden hoch, und sie hielt sich an mir fest und drückte ihr Gesicht in mein Hemd. Sie versuchte, alles auszublenden, um uns verdammt nochmal von dort wegzubringen. Nie hatte ich mich derart über das unangenehme Gefühl eines Halbsprungs gefreut wie in diesem Moment.
36
15. August 2009, 15:30 Uhr
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, doch das Unwetter war noch schlimmer geworden. Regen peitschte mir ins Gesicht. Emily hielt mich weiter umklammert. Sie hatte ihr Gesicht an meinem Körper vergraben, doch ich spürte, dass sie zitterte. Wie ich auch. Ich versuchte, sie abzusetzen, aber sie ließ mich nicht los. Ihr Zittern verwandelte sich in ein Schluchzen. Ich drückte sie an mich; ganz gleich aus welchem Jahr sie kam, in der Zukunft schienen wir uns offenbar vertraut zu sein.
Schließlich ließ sie mich los und atmete tief durch. »Ich wusste nicht, dass es … so sein würde.«
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
Sie nickte und griff wieder nach der Stange.
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