Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
Hatte ich auch nicht erwartet.
Hinter mir spielten Kinder auf einem Spielplatz. Jedenfalls nahm ich an, dass es sich um einen Spielplatz handelte. Aber sie waren praktisch lautlos. Kein Vergleich mit den Kindern, die ich bei den Ferienspielen erlebt hatte. Anscheinend waren alle Geräte verstellbar oder elektronisch. Zwischen zwei Pfeilern hing ein schaukelnder Schwebebalken, und die Kinder balancierten darüber, während er schwankte.
Eine niedrige Kletterwand rollte langsam von oben nach unten ab, so dass die Kinder auf der Stelle kletterten. Sie alle bewegten sich wie kleine Spider-Men, die Wolkenkratzer erklommen.
»Alles solarbetrieben«, kommentierte Thomas mit Blick auf den Spielplatz. »Hier in der Zukunft machen wir nichts, was der Erde schadet.«
Doch irgendjemand fügte der Erde in der Zukunft Schaden zu. Oder zumindest New York. Ich hatte es mit eigenen Augen gesehen. Oder war das vielleicht schon geschehen, und sie hatten es wieder in Ordnung gebracht? Oder … war das hier bloß eine andere Zeitleiste?
Thomas ging auf eins der Gebäude zu; ich folgte ihm.
»Wir haben die Lebensqualität viel weiter verbessert, als irgendwer es sich hätte vorstellen können. Dank uns ist die Fettleibigkeit beseitigt, die Vitamine zur Nahrungsergänzung sind verbessert, und die Gehirnfunktion ist verstärkt.«
Vitamine, die jedem übermenschliche Kraft verliehen? Das würde die verblüffenden Spider-Kinder erklären. »Wann passiert das?«
Oder noch wichtiger: Welche drastischen Maßnahmen waren nötig, um diesen Erfolg zu erzielen?
»Das darf ich dir nicht sagen.« Er sprach in einem förmlichen, aber entspannten Tonfall, so als würde er mich während der Vier-Uhr-Besichtigung durch die perfekte Zukunft führen.
Ich sah mich weiter um, und es war wirklich schön. Nirgendwo lag Müll, nichts war unordentlich. Die Farbpalette war genial, so als würden Stadt und Land ineinander übergehen. Alles war unglaublich perfekt – und genau deshalb traute ich der Sache nicht. Es gab einen Grund, weshalb Emily mir die andere Zukunft gezeigt hatte. Ich brauchte Datumsangaben, und zwar für beide Welten.
»Die Zeit ist um.« Thomas griff nach meinem Arm und zog mich zurück.
40
15. August 2009, 17:00 Uhr
Thomas war gut. Wir landeten wieder genau an unserem Ausgangspunkt. Japsend beugte ich mich vor und versuchte mich zu orientieren. Offenbar hatte das Zeitreisen andere Auswirkungen, wenn ich von einem zweiten Reisenden mitgenommen wurde. Mich hatte es ganz schön viel Kraft gekostet, zwei Jahre in die Vergangenheit zurückzugehen, und nach dem Halb-Sprung ins Jahr 1992 war ich völlig am Ende gewesen. Aber jetzt fühlte ich mich gut.
»Na, bist du beeindruckt?«, fragte Thomas.
»Ja, das war unglaublich«, sagte ich.
Er näherte sich Holly, die höchstens ein oder zwei Sekunden allein da gestanden haben konnte, denn sie befand sich immer noch an derselben Stelle. Er packte ihren Ellbogen und zerrte sie näher an den Rand des Daches.
»Was soll das?«, fragte ich verunsichert.
»Was du vorhin über nebensächliche Dinge gesagt hast, klang angesichts deiner jüngsten Erfahrungen sehr überzeugend. Aber leider bin ich ein wenig zu clever, um mich von dir täuschen zu lassen.«
»Du glaubst mir nicht?«, fragte ich betont unaufgeregt.
»Darum geht es nicht. Fakten. Nachprüfbare Beweise. Nur darauf vertraue ich.«
Thomas legte seine Arme so fest um Holly, dass sie ihm nicht entrinnen konnte. Mit wutverzerrter Miene versuchte sie, sich aus seiner Umarmung herauszuwinden.
Ich blieb bei meiner Taktik, denn ich wollte sehen, was Thomas mit seinem Ablenkungsmanöver bezweckte.
»Ich habe viel über dich nachgedacht, Jackson«, sagte er ruhig, während Holly sich aus seinem Todesgriff zu befreien versuchte. »Vor kurzem habe ich den Ausdruck Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen gelernt. Wo ich herkomme, sagt man das nicht. Aber ich weiß, wie ich auf einen Schlag herausfinden kann, ob du lügst, wenn du behauptest, emotional unbeteiligt zu sein, und zugleich sehen kann, wie wertvoll du für mein Team sein könntest.«
»Und zwar?«, fragte ich, doch diesmal kroch Nervosität in meine Stimme.
»Es handelt sich um einen wohldurchdachten Plan, und wie ich schon sagte, ist ein kühler Kopf für Leute wie uns sehr wichtig. Das Dumme ist nur, dass, wenn du tatsächlich großes Talent zeigst, dies zugleich beweist, dass du mich anlügst. Und nicht in der Lage bist, die Verantwortung zu tragen, die mit der dir
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