Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
würden. Stundenlang wälzte ich mich von einer Seite auf die andere; meine Schuldgefühle und all das Schreckliche, das ich im Jahr 2009 zurückgelassen hatte, lagen wie Blei auf mir. Konnte ich wirklich einfach von vorn anfangen? Vielleicht war das die Antwort. Ich konnte Holly in diesem Jahr treffen und mit ihr reden. Einfach um zu sehen, ob es ihr gutging. Vielleicht würde der Albtraum aufhören, wenn ich wusste, dass sie in Sicherheit war. Hier. Und jetzt. Vielleicht konnte ich den Lauf der Dinge auf diese Weise ändern.
Ich griff hinter mich und nahm das Telefon vom Tisch. Möglicherweise hatte sie in diesem Jahr schon dieselbe Telefonnummer wie im Jahr 2009. Es war fünf Minuten vor sechs an einem Montagmorgen. Wahrscheinlich war Holly schon auf. Mein Herz pochte wild, während ich ihre Nummer auswendig eintippte.
Nach drei Klingelzeichen hörte ich, wie Papier zerknüllt wurde, dann plärrte laute Musik durch den Hörer, gefolgt von der Stimme, die ich in diesem Moment so dringend hören wollte.
»Hallo?«
Ich konnte weder sprechen noch mich von der Stelle rühren.
»Hallo?«, sagte sie erneut.
»Oh, äh, tut mir leid, ich hab mich verwählt«, brachte ich schließlich hervor.
Ich hörte sie leise auflachen. »Okay, kein Problem.«
Unendlich erleichtert atmete ich auf, aber schon in der Sekunde, als ich auflegte, wusste ich, dass das nicht ausreichen würde. Ich musste sie sehen. Noch während ich – müder als je zuvor in meinem Leben – auf mein Zimmer zustolperte, begann ich einen Plan auszuhecken, wie ich mich nicht nur in Hollys Leben einschmuggeln könnte, sondern auch in Adams.
13
Ich schlief ein paar Stunden und holte dann mein Tagebuch aus der Tasche, um einige der Entwicklungen zu notieren. Wenn es mir gelingen sollte, in den Freundeskreis des jüngeren Adam einzudringen, würde er all diese Notizen brauchen. Ich kannte ihn gut genug, um das zu wissen.
Montag, 10 . September 2007
Heute ist der erste Tag, an dem ich offiziell die Rolle meines siebzehnjährigen Ichs einnehme. Mann, das nervt vielleicht! Schon zu dieser frühen Stunde habe ich mir Ziele gesteckt: 1. Um jeden Preis vermeiden, wieder in die Schule gehen zu müssen. 2. Herausfinden, was Adam und Holly in diesem Jahr machen. Ich muss sie dringend sehen. Beide. Auch wenn sie mich nicht kennen.
Jemand hämmerte laut gegen meine Zimmertür. Das musste Dad sein, und wahrscheinlich war er immer noch sauer wegen des Abends davor.
»Du nimmst wohl keine Rücksicht darauf, dass ich seit Mai in einer anderen Zeitzone gelebt habe«, maulte ich, während ich das Tagebuch unter mein Kissen schob.
»Es ist fast Mittag, du hast genug geschlafen. Ich hab dir was zu essen gemacht«, rief er durch die Tür.
Während ich mir beim Duschen und Anziehen Zeit ließ, dachte ich mir eine Geschichte aus, warum ein Schüler, der fast nur Einsen schrieb, plötzlich nicht mehr zur Schule gehen wollte.
Dad erwartete mich mit Kaffee und Rühreiern am Küchentisch. Er trug wie üblich Anzug und Krawatte und hatte seine dunklen Haare zurückgekämmt.
Am liebsten wollte ich ihm alles erzählen, vor allem, dass ich Courtney gesehen und mit ihr geredet hatte. Er vermisste sie genauso sehr wie ich. Vielleicht sogar noch mehr. Nicht dass wir jemals darüber gesprochen hätten. Aber ich erteilte mir offizielle Befehle: Glaub kein Wort von dem, was er sagt.
»Jackson«, sagte er mit einem steifen Nicken.
»Dad.«
»Ich möchte mit dir über die Schule reden. Ich verstehe ja, dass du deine Gründe hast, nicht zurück nach Spanien zu wollen, aber denk wenigstens darüber nach, zurück an die Schule zu gehen.«
»Nein, danke.« Diese bittere Pille würde ich nicht schlucken. »Fährst du gleich ins Büro?«
Er schlug die Zeitung auf und hielt sie sich so vors Gesicht, dass es komplett verdeckt war. »Ja.«
Ich schenkte mir ein Glas Orangensaft ein und trank einen großen Schluck. »Was gab’s denn in Houston?«
Hast du da jemanden mit deinen bloßen Händen erwürgt?
»Nichts von Belang. Ich hatte nur ein paar Meetings mit irgendwelchen Politikern. Wir wollen die Arzneimittelzulassungsbehörde ausbremsen, bevor die uns noch mehr Vorschriften machen. Alles Dinge, die einer, der die Highschool abgebrochen hat, niemals machen könnte.«
Ich stöhnte und schob mir eine Gabel Rührei in den Mund. »Ich hab keinen Bock mehr, mit diesem eingebildeten Pack auf eine Schule zu gehen.«
Er faltete die Zeitung zusammen und sah mich an. »Ah … Europa hat
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