Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
mir vorbei. »Tut mir leid, aber ich befolge meine Anweisungen. Außerdem wird dein Vater noch einige Stunden aufgehalten.«
Anweisungen? So wie wenn CIA-Agenten einem sagen, was man zu tun hat? Oder doch nur ein Chef, der einen herumkommandiert ? Und aufgehalten? Es war elf Uhr nachts. Was konnte in einem pharmazeutischen Unternehmen so wichtig sein, dass man nicht mal ein paar Minuten telefonieren konnte?
Ich ertappte Henry, den Portier, dabei, dass er mich anstarrte, während er herbeieilte, um die Tür zu öffnen.
»Mr Meyer, wir haben Sie heute gar nicht erwartet. Ist alles in Ordnung?« Henry betrachtete mich forschend und sah dann Miss Stewart an.
Ich zwang mich zu lächeln. »Schön, Sie wiederzusehen.«
Miss Stewart packte meinen Arm und zerrte mich ins Gebäude. »Gehen wir, Junior. Bricht für dich nicht langsam die Schlafenszeit an? Darfst du um die Uhrzeit überhaupt noch allein draußen unterwegs sein?«
Ich riss mich los und lief schnell vor in der Hoffnung, als Erster am Aufzug zu sein. Vielleicht würden sich die Türen vor ihrer Nase schließen. Aber der Fahrstuhlführer hörte ihre Stiefel natürlich schon aus großer Entfernung und drehte sich zu mir um: »Sollen wir auf die Dame warten?«
»Ja«, grummelte ich.
Ich muss zugeben, dass es mich ein klein wenig tröstete, mein Zuhause und die vertrauten Möbel zu sehen. Ich ließ mich auf die Couch fallen und wünschte mir, in besserer Verfassung für ein Streitgespräch zu sein. Miss Stewart setzte sich auf den großen Sessel und legte ihre langen Beine auf die Fußstütze. »Also, wie hast du das gemacht?«
»Was? Mich verhaften lassen?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. »Sicher, fangen wir damit an und gehen dann zu den wichtigeren Fragen über.«
Fieberhaft suchte ich nach Ausreden. Ich brauchte dringend eine Rolle, und am besten funktionierte normalerweise die des arroganten, gedankenlosen und verwöhnten reichen Jüngelchens. Ich legte die Füße auf den Couchtisch und zog einen meiner Turnschuhe aus, den ich dann quer durchs Zimmer zu der Matte an der Eingangstür schleuderte. »Nun … Ich habe einen Freund, der einer kleinen Nebenbeschäftigung nachgeht, und der hat mir ein paar falsche Ausweise, Kreditkarten und so Zeugs gemacht, nur so zum Spaß. Wir haben absichtlich falsche Jahreszahlen drauf geschrieben, und er muss sie irgendwann neulich gegen die richtigen in meinem Portemonnaie ausgetauscht haben.«
»Nimmst du Drogen?«, fragte sie.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, ohne entweder in einer Entzugsklinik zu landen oder mir die gute Ausrede zu versauen, wenn ich es verneinte. »Vielleicht … vielleicht auch nicht.«
»Die Polizei scheint es zu glauben. Die sagen, du hättest ihnen was von einer Diabetes vorgelogen, um dich aus der Affäre zu ziehen.«
»Ich werde Ihnen nichts sagen, was ich denen nicht gesagt habe.«
Sie beugte sich vor, setzte die Füße wieder auf den Boden und sah mich an: »Wie zum Teufel hast du ein fremdes Land ohne Gepäck, ohne Pass, ohne Geld und praktisch ohne Ausweispapiere verlassen?«
Ich sog die Luft ein und hielt sie ein paar Sekunden an. Vielleicht ist mein anderes Ich gar nicht dort. In Spanien. Mach jetzt keinen Fehler , ermahnte ich mich selbst. Lass sie nicht merken, dass dir der Arsch auf Grundeis geht. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
Ihre Gesichtszüge erstarrten. »Doch, das tust du. Der Vermieter deiner Wohnung in Spanien sagte mir, du wärst gestern am frühen Morgen verschwunden, ohne irgendetwas mitzunehmen. Er dachte, du wärst tot. Ebenso wie dein Vater. Er war krank vor Sorge, bis du aus dieser Polizeiwache angerufen hast.«
Ich war in Europa nur selten irgendwo hingefahren, ohne jemandem Bescheid zu sagen und die Erlaubnis einzuholen. Im Jahr 2009 war ich dafür bekannt, dass ich mir Geschichten ausdachte, um meine Zeitreisen-Experimente zu kaschieren und Holly zu belügen, aber das jetzt würde die ultimative Geschichte werden müssen. Um diese Sache mit dem Pass kam ich nicht so leicht herum. »Mein Kumpel in Spanien, der, der die falschen Ausweise macht …«
»Ist er Amerikaner?«, unterbrach sie mich.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, äh … Brite.«
Sie runzelte die Stirn. »Mir ist in einem Radius von dreißig Kilometern um deinen Aufenthaltsort nichts von einem Austauschstudenten aus Großbritannien bekannt.«
Okay, das ist jetzt etwas seltsam.
»Er ist auch kein Student … nur irgendein Typ, den ich mal irgendwo
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