Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
Geräusche, sehr wenig Bewegung«, sagte sie.
Ich schaute aufmerksam hin, während sie langsam durch die Schaubilder klickte, die die Grundlagen von Angriff und Verteidigung erklärten. »Schauen wir uns nur Bilder an?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich befolge nur Anweisungen. Dein Dad schien der Meinung zu sein, dass die Diagramme schon helfen. Ich persönlich bevorzuge die praktische Methode.«
Ich lachte. »Vielleicht dachte er, dass Sie dazu noch nicht weit genug sind.«
Oder er wusste vielleicht, dass ich mir das alles merken konnte. Wie Tobys Zahlenkombination. Hatte Melvin mich nicht neulich genau danach gefragt?
»Was ist mit einem fotografischen Gedächtnis? Kannst du ganze Buchseiten Wort für Wort wiedergeben, oder möglicherweise auch Wegbeschreibungen oder Landkarten?«
Ich hasste es, dass Dad und Melvin einen besseren Einblick in meinen Kopf hatten als ich selbst, aber wenn ich dieses fotografische Gedächtnis dazu benutzen konnte, am Leben zu bleiben und Holly zu beschützen, dann hatte ich keinen Grund, mich über meine kürzlich erworbene sonderbare Fähigkeit zu beklagen.
»Ehrlich gesagt überrascht es mich, dass er dir angesichts seiner Position nicht schon längst wenigstens die Grundlagen der Selbstverteidigung beigebracht hat. Das gestern war ihm bestimmt eine Warnung. Ist ja schließlich nicht so, als hätte er nicht damit rechnen können, dass dich jemand als Zielscheibe benutzt. Als Hebel, um an deinen Dad ranzukommen.«
Bin ich schon immer eine Zielscheibe gewesen? War das der Grund, warum die Feinde der Zeit in Hollys Zimmer nach mir gesucht haben?
Ich lachte nervös. »Also mir war es auf jeden Fall eine Warnung. Wenn die mich nicht betäubt hätten, hätte ich letzte Nacht bestimmt kein Auge zugetan.«
»Weichei«, murmelte sie. »Und was zur Hölle hattest du eigentlich mit diesem Taschenmesser vor?«
»Keine Ahnung. Und genau deshalb sollten wir auch sofort loslegen.«
Sie nickte und erklärte mir weiter ausführlich jedes Bild des Diagramms. Und ich hörte zu, als hinge mein Leben von jedem Detail ab. Denn das tat es auch.
»Was du im Kopf behalten musst, ist vor allem, dass es hierbei nicht auf Muskelkraft ankommt«, sagte Dad, der hinter uns auftauchte. »Nimm zum Beispiel Agentin Stewart. Sie hat beim letzten Training alle übertroffen. Sie ist leichtfüßig und kann ihren Geräuschpegel besser reduzieren als andere. Wenn man einen Auftrag ausführt, ohne dabei gehört zu werden, ist das ein Riesenvorteil. Außerdem hilft es, dass sie nie den exakt richtigen Zeitpunkt zum Angriff verpasst. Wenn man das gut hinbekommt, genau auf den Punkt, dann ist Stärke absolut zweitrangig.«
Jenni Stewart sah superglücklich über Dads Kompliment aus, versuchte es aber zu verbergen. »Nimm dir kurz Zeit, dir die Abbildung anzusehen, dann probieren wir es mal aus.«
Ich betrachtete aufmerksam den Mann auf dem Bild, der einem anderen in die Kniekehle trat und ihm zugleich die Kehle zudrückte. Auf diese Weise fällt einem der Angreifer mit seinem ganzen Gewicht auf den Fuß, was weniger Lärm macht. Und das Luftabdrücken verhindert, dass er schreit oder redet.
Nachdem wir den Couchtisch zur Seite geschoben hatten, machte ich es bereits im zweiten Anlauf perfekt. »In Junior steckt also doch ein kleiner Geheimagent«, kommentierte Jenni.
»Das sind nur die grundlegenden Fertigkeiten, um zu überleben«, sagte Dad zu ihr. »Dinge, die jeder Teenager wissen sollte, oder?«
»Sicher«, antwortete sie.
»Warum probierst du dieselbe Übung nicht mal an mir aus?«, fragte Dad mich.
Ich zögerte so lange, dass Jenni mich auslachte, was meine Entschlossenheit, Dad erfolgreich anzugreifen, noch beflügelte. »In Ordnung.«
Ich konzentrierte mich auf sein Gesicht und stellte mir vor, Holly stünde hinter ihm oder Courtney. Und dann mobilisierte ich noch meinen Frust darüber, dass er Geheimnisse vor mir gehabt und mich belogen hatte. Das alles brachte mich ganz schön in Wallung, und irgendetwas in mir machte Klick. Sekunden später sank er, nach Luft ringend, auf den Teppich.
»Nicht schlecht, Jackson. Echt nicht übel.« Seine Miene verriet mir, dass er beeindruckt war, aber ich sah auch – nur für eine Sekunde – Schmerz darin aufflackern.
Ich reichte ihm die Hand und half ihm auf. »Wollen wir gleich noch mal?«
Dad nickte, und diesmal legte er mich auf den Boden, bevor ich überhaupt reagieren konnte. So verbrachten wir noch eine ganze Stunde. Erst siegte er, dann ich,
Weitere Kostenlose Bücher