Styling deluxe / Roman
dass das eine gewaltige Aufgabe darstellte, die mehr als einen Nachmittag in Anspruch nehmen würde. Das war das Problem, wenn man in einem großen Haus wohnte – Stauraum füllte sich scheinbar ohne eigenes Zutun.
Annie öffnete die Haustür und setzte ihr Willkommenslächeln auf.
Ihre Kiefer klappten herunter, als sie und Lana Elena aus dem Taxi steigen, zum Fahrerfenster schreiten, eine Geldbörse aus der Gesäßtasche ihrer Röhrenjeans zerren sahen, um ihn zu bezahlen und dann, die Koffer wie zwei gehorsame Hündchen im Schlepptau, zum Gartentor zu tänzeln.
Sie ist mindestens zwanzig!,
war das Erste, was Annie durch den Kopf schoss, gefolgt von:
Sie ist bezaubernd schön, sieht aber nach Ärger aus.
Lanas höfliches Lächeln hatte sich zu etwas entschieden aufrichtiger Begeistertem ausgeweitet.
Oh mein Gott! Da ist sie!,
sagte Lana zu sich selbst.
Meine – neue – beste – Freundin!
Elena blieb am Gartentor stehen und blickte zu Annie und Lana auf der Haustürtreppe auf.
»Guten Tag, ich bin Elena«, stellte sie sich fröhlich mit dem gleichen Akzent wie ihre Mutter vor. »Danke für die Einladung.«
»Komm rein!«, forderte Annie sie auf und stieg die Treppe hinunter, um ihr einen Koffer abzunehmen. »Wie schön, dich kennenzulernen! Es ist eine Überraschung, aber eine sehr angenehme. Du bist viel erwachsener, als ich erwartet hatte.«
»Ja, ich bin zweiundzwanzig«, bestätigte Elena. »Hat meine Mutter Ihnen nicht gesagt, weil sie immer schwindelt über ihr Alter, wie?«
»Wie alt ist sie denn?«
Es war hinterhältig, aber Annie musste einfach fragen. Dieses Mädchen wusste es bestimmt, und dies war womöglich Annies einzige Chance, es je herauszufinden. In ein, zwei Tagen würde Svetlana Elena bestimmt bestochen haben, damit sie es nie verriet.
»Fünfundvierzig«, antwortete Elena.
Annie schnappte nach Luft. Das war viel älter, als sie erwartet hatte, aber – mein lieber Mann! – Svetlana musste wohl mit einem Tross von Kosmetikerinnen auf Du und Du sein!
»Sie hat mir nie von dir erzählt«, sagte Annie. Noch immer schwang die Überraschung in ihrer Stimme mit.
»Hab ich sie heute zum ersten Mal gesehen«, erklärte Elena. Sie hatte jetzt die Haustür erreicht und streckte Lana die Hand entgegen.
»Hi«, brachte Lana schüchtern heraus, bevor sie herausplatzte: »Ich kann mein Zimmer mit Elena teilen … wirklich, kein Problem! Da ist Platz genug. Sie braucht nicht im Keller zu schlafen. Da unten ist es kalt und ziemlich dunkel.«
»Nein, Elena möchte sicher …«, setzte Annie an zu protestieren, in der festen Überzeugung, dass Elena und Lana sich besser kein Zimmer teilen sollten. Diese Zweiundzwanzigjährige wirkte insgesamt zu aufreizend und berechnend, um sie auf einen sechzehnjährigen Teenie, der kurz vor den Schulprüfungen stand, loszulassen.
»Das wäre sehr freundlich«, erwiderte Elena lächelnd und nahm Lanas Angebot ohne zu zögern an. »Zimmer teilen ist kein Problem für mich. Hab ich immer Zimmer geteilt, als ich groß wurde und an der Universität.«
»Du gehst zur Uni?«, fragte Lana und ließ sie in den Flur treten. »Was studierst du denn?«
»Maschinenbau an der Universität von Kiew«, antwortete Elena. »Krieg ich Stipendium.«
»Wow!«, äußerte Lana tief beeindruckt.
»Möchtest du Kaffee oder Tee?«, erkundigte Annie sich, nachdem Elena das Haus besichtigt und ihre Koffer in Lanas Zimmer abgestellt hatte.
»Kaffee, bitte. Ist Ihr Haus so groß und so schön!«, schwärmte sie. »Hat keiner Geld für so großes Haus in Ukraine.«
»Hier hat auch niemand das Geld«, vertraute Annie ihr an, »wir leihen nur mehr.«
»Ah ja. Krrreditkrrrise«, sagte Elena und setzte sich an den Küchentisch, »haben wir bei uns auch. Ist schwer, guten Job als Ingenieurin zu kriegen, aber ich hoffe, ich kann vielleicht nach London zurückkommen, wenn ich fertig bin, und finden guten Job hier. Vielleicht hilft mir meine Mutter, hier unterzukommen.«
Annie staunte, wie unbefangen Elena den Begriff »Mutter« verwandte, obwohl sie Svetlana erst heute zum ersten Mal begegnet war.
»Du hast wohl oft an deine Mutter gedacht? Hat man dir von ihr erzählt?«
Elena zuckte mit den schlanken Schultern.
»Nur dass sie ist sehr schön und dass sie hat Land verlassen, als ich geboren«, erwiderte sie.
»Sie hat dich also mit dreiundzwanzig bekommen, und dann …« Annie hantierte, Elena den Rücken zukehrend, mit der Cafetière und dem Kaffeemehl, zum Teil auch,
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