Styling deluxe / Roman
sie das hörte.
Es war – als hätte sie das nötig! – ein weiterer Beweis dafür, dass Finn sie nicht leiden konnte. Trotz ihrer hervorragenden Arbeit mit Cath und Jody hatte Finn ihr wegen Tina noch nicht verziehen und würde es vielleicht auch nie tun. Womöglich wurde sie für den Rest der Drehzeit zur Garderobiere degradiert. Vielleicht tauchte sie nur noch im Hintergrund auf? Beim Einkleiden der Frauen, aber ohne ein Wort vor der Kamera zu sagen.
Bei diesem Gedanken schnürte der verletzte Stolz ihr erneut die Kehle zu.
»Endlich in Schottland!«, hatte sie Ed per SMS mitgeteilt, als der Zug in den Bahnhof rollte … denn sie wollte in Kontakt bleiben, ohne ihm das Gefühl zu geben, dass etwas sie zwanghaft beschäftigte.
Aber da war etwas, das sie zwanghaft beschäftigte.
Annies Hauptsorge lautete: Was würde Elena während ihrer, Annies, Abwesenheit mit ihrer Familie machen? Würde sie Lana von ihren Prüfungsvorbereitungen weg in den Strudel des Londoner Nachtlebens locken?
Und wie stand es mit Ed? Er war völlig immun gegen die Reize von kichernden Sechstklässlerinnen, doch Annie gefiel nicht, wie Elena ihn anlächelte, ihn zu mustern schien, wenn er nicht hinsah …
»Die macht Ärger«, hatte Annie ihm zugeflüstert. »Bitte verlieb dich nicht in sie, wenn ich weg bin, ja?«
»Annie! Du bist drei Nächte weg«, hatte Ed lachend erwidert. »Ich glaube, ich werde mit Miss Röhrenjeans fertig, solange du fort bist. Aber wie lange bleibt sie überhaupt bei uns? Hat Svetlana sich dazu mal geäußert?«
»Nein, aber keine Sorrrge, frrrrag ich, wenn ich sie sehe«, hatte Annie ihm versichert.
Als Annie mit Nikki und Bob im Novotel eintraf, wollte sie vor dem ersten Instruktionstreffen nur noch rasch in ihr Zimmer und unter die Dusche. Sie fühlte sich schäbig und schmuddelig. Und selbst wenn Grunge ein Comeback haben sollte, was mit Gewissheit bevorstand, wenn die Achtziger-Nostalgie sich jetzt dem Ende zuneigte, würde sie da nicht mitmachen.
Ihr Look war nicht Grunge, sondern erwachsen: schick, gepflegt und souverän.
»Annie Valentine«, meldete sie der Empfangsdame, während Bob und Nikki ihre Schlüssel entgegennahmen. Die Empfangsdame tippte auf ihrer Tastatur und machte plötzlich ein verwundertes Gesicht.
»Ich gehöre zum Filmteam, wir haben gemeinsam gebucht«, fügte Annie in dem Versuch zu helfen hinzu.
»Ja.« Die Rezeptionistin tippte wieder eifrig, schien aber nichts Brauchbares zu finden. »Wer hat die Zimmer gebucht?«, fragte sie.
»Donnie Finnegan«, antwortete Annie, in der Annahme, dass es stimmte.
»Ich rufe ihn an«, informierte die Frau sie lächelnd, nahm den Telefonhörer ab und wählte die Nummer auf dem Monitor vor ihr.
»Hallo, spreche ich mit Mr. Finnegan?«, erkundigte sie sich. »Hier Novotel, Rezeption. Eine Annie Valentine fragt nach einem Zimmer … ja … ja, gut … Okay, danke, Mr. Finnegan.«
Als sie den Hörer aufgelegt hatte, sah die Empfangsdame Annie an und erklärte: »Er kommt runter.«
»Er kommt runter?«, wiederholte Annie. Das machte sie stutzig. »Lässt sich das denn nicht am Telefon klären?«, wollte sie wissen.
»Doch, schon, aber ich glaube, er möchte Sie sprechen«, erwiderte die Rezeptionistin.
Warum hat er die unterlassene Buchung des Zimmers eigentlich nicht beanstandet?,
fragte Annie sich. Hatte er es gewusst?
Oh nein!
Vielleicht war sie gar nicht hier untergebracht.
Vielleicht gab es an der nächsten Ecke ein noch billigeres Hotel, und die arme alte Annie Valentine sollte dort wohnen, weil, nun, weil? Weil es im Novotel eben nicht genug freie Zimmer gab.
Annie begann den Empfangsbereich zu umrunden. Sie sah sich flüchtig in einem glänzenden Raumteiler aus Glas. Sie wollte duschen! Sie musste duschen! Selbst die straffen Aufschläge ihres schwarzen Regenmantels schienen während der Zugfahrt schlaff geworden zu sein.
Wieder einmal stellte sie ihren Pferdeschwanz in Frage. War er richtig für sie? So lange war er genau richtig gewesen, aber war er es jetzt auch noch?
»Annie!«, brach Finn in ihre Gedanken ein. Er trug seine Lederjacke, sein treues Klemmbrett und seinen Bluetooth im Ohr. Das alles sollte ihr signalisieren, dass er schwer beschäftigt war und wichtige Entscheidungen treffen musste.
»Hol dein Gepäck, ich bringe dich über die Straße!«, wies er sie an.
Sie hatte es gewusst. Dieses verflixte Hotel war ausgebucht, verdammt, und sie wurde noch beschissener untergebracht! Leider durfte sie
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