Sub Terra
dir.«
Der Gedanke, dass in seinen Adern Blut der Aborigines fließen könnte, jagte ihm Angst ein. Er und seine Freunde hatten sich immer über die dunkelhäutigen Aborigine-Kinder in der Schule lustig gemacht. Und nun war er plötzlich einer von ihnen geworden. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin kein verdammter Darkie!«
Die Ohrfeige tat weh. »Du wirst deine Vorfahren achten!«
Auch jetzt ließ ihn die Erinnerung noch zusammenzucken. Als Kind hatte ihn dieses Erbe beschämt. Zu jener Zeit hielt man Aborigines für Bürger zweiter Klasse, für nur wenig mehr als Tiere. Glücklicherweise konnte er die vererbte Schande leicht geheim halten, da im Laufe vieler Generationen sein Aborigine-Blut durch europäisches Blut verdünnt worden war. Damals hatten die Albträume begonnen.
In zahllosen Nächten war er aufgewacht, die Laken klebten an seinem nass geschwitzten Körper, Tränen liefen ihm übers Gesicht. Das Bettlaken in den Händen zusammengeballt, betete er, dass niemand von seinem Geheimnis erführe.
Mit der Zeit war er reifer geworden, hatte sogar Respekt und Sympathie für seine geheimnisvolle Herkunft entwickelt, und die Träume waren schließlich verschwunden wie altes Spielzeug, das man in Pappkartons gesteckt hatte. Vergessen und nicht mehr gebraucht.
Er schüttelte den Kopf. Warum also jetzt? Wieso tauchten seine Kindheitsängste plötzlich wieder auf?
Muss an dieser verfluchten Zelle liegen, folgerte er und vergrub sich tiefer unter der fadenscheinigen Decke. Dank des Briefs, der gerade zur rechten Zeit eingetroffen war, würde er dieses verdammte Loch bald hinter sich gelassen haben.
Einen Monat später schickte sein mysteriöser Wohltäter ein Telegramm nach Black Rock, und zwanzig Stunden später hatte Ben seine enge Zelle in Australien gegen eine Suite im Sheraton von Buenos Aires eingetauscht.
Er prüfte das Badewasser mit einem Zeh. Die Hitze ließ ihn kurz zusammenzucken, dann lächelte er. Ahhh, perfekt. Nach einem Monat im Gefängnis von Black Rock, nach einem Monat lauwarmer Duschbäder, die kaum die Schmutzschichten auf seiner Haut lösten, hatte ein volles, heißes Bad eine fast orgastische Wirkung. Er stieg in die Wanne, ließ sich ins dampfende Wasser sinken und regulierte die Wasserzufuhr. Kitzelnde Strömungen massierten ihn von allen Seiten und erzeugten einen sanften Strudel. Ausgesprochen orgastisch.
Er seufzte, lehnte sich in der Wanne zurück, entspannte sich und ließ sich in den Wasserstrahlen treiben.
Da klopfte es an der Tür.
Ohne das Klopfen zu beachten, glitt Ben tiefer in die Strömung. Wieder klopfte es, diesmal eindringlicher.
Er stemmte sich hoch. »Wer ist da?«
Eine undeutliche Stimme antwortete: »Verzeihung, Sir, aber Dr. Blakely bittet um Ihr Erscheinen im Raum Pampas im Parterre. Die anderen Gäste treffen auch gerade ein.«
Ben rieb sich die geröteten Augen. »Ich brauche fünf Minuten.« Er hievte sich aus der Wanne; die kühle Luft rief auf seinen nackten Beinen Gänsehaut hervor. Nachdem er einen alten braunen Tweedanzug angezogen hatte, begab er sich zur Konferenzsuite.
Zu seiner Erleichterung hatte man im Vorraum des Auditoriums eine mobile Bar aufgestellt. Ein Bartender stolzierte hinter einem Regal mit Flaschen hin und her und verteilte Drinks. Eine Schar von Männern und Frauen hatte sich bereits zusammengefunden und stand in einzelnen Grüppchen herum.
Er blickte sich um. Keiner schaute zu ihm hin. So viel zur herzlichen Begrüßung. Nachdem er ein letztes Mal suchend umhergeguckt hatte, beschloss er, dass er sich nach einem Schluck Whisky auf dieser »Party« sicher wohler fühlte, und ging zur Bar hinüber.
»Was darf es sein, Sir?«
»Whisky und ein Bier zum Nachspülen.« Er stützte sich mit dem Ellbogen auf die schwarze kunstlederne Verkleidung der Bar und schaute sich um. Die Leute hier waren nichts für ihn. Niemand lachte laut, niemand verschüttete Drinks, keine wütenden Betrunkenen. Langweilig. Nachdem er den Whisky ohne Umwege hinuntergekippt hatte, knallte er das Schnapsglas auf die Theke, ignorierte das Brennen und machte sich an das Bier heran.
Hinter ihm erklang die Stimme einer Frau: »Whisky. Pur, bitte.«
Ben drehte sich um, weil er sehen wollte, wer seinen Geschmack teilte. Whisky trinkende Frauen waren so selten wie Hühner mit Zähnen. Er war nicht enttäuscht.
Sie spielte mit dem Drink, den man ihr hinstellte. Lange Finger, kurze polierte Nägel. Keine Ringe. Kein Ehering – gut. Sie war so groß wie er, für
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