Succubus Blues - Komm ihr nicht zu nah
her, als ich einen Stuhl heranzog. Ich ließ mich darauf nieder, sah Seth an und dann wieder weg, weil ich mit der Tiefe dieser bernsteinfarbenen Augen nicht mehr zurande kam, nachdem ich ihm in die Gedanken geschaut hatte.
Unser altes Schweigen legte sich wieder zwischen uns. Die Fortschritte, die wir in der Konversation gemacht hatten, waren im Wind zerstoben. Diesmal wollte Seth nicht die Initiative ergreifen. Wie Carter bemerkt hatte, wartete der Schriftsteller auf mich. Ich schaute wieder hin und zwang mich dazu, ihm in die Augen zu sehen. Ich musste es tun. Ich musste die Erklärungen abliefern, scheute jedoch davor zurück. Es war Ironie, dachte ich. Ich, die ich die Hälfte der Zeit nicht wusste, wann ich den Mund halten sollte. Ich, die ich berühmt dafür war, immer einen flotten Spruch parat zu haben.
Im Wissen, dass es nicht einfacher werden würde, holte ich tief Luft und ließ alles heraus, mir des himmlischen Gewichts im Rücken sehr wohl bewusst, und auch, dass ich mich gerade damit einverstanden erklärt hatte, zur Ausbreitung der Hölle meinen Betrag zu leisten.
»Die Wahrheit ist … die Wahrheit ist, dass ich nicht wirklich in einer Buchhandlung arbeite. Ich meine, ich tu’s schon, aber das ist nicht der wirkliche Grund, weswegen ich hier bin und worin mein Zweck besteht. In Wahrheit bin ich ein Sukkubus, und ich weiß, dass du zuvor schon von uns gehört haben wirst – oder glaubst, von uns gehört zu haben, aber ich bezweifle, dass das, was du gehört hast, korrekt ist …«
Und weiter ging es. Ich erzählte es ihm. Ich erzählte ihm alles. Die Gesetze des Lebensstils eines Sukkubus, meine Unzufriedenheit damit, weshalb ich nicht mit Menschen ausging, die ich mochte. Ich erzählte ihm von anderen Unsterblichen, von Engeln und Dämonen, die unter uns wandelten. Ich erklärte ihm sogar die Sache mit den Nephilim und deutete an, dass Romans Anwesenheit in meinem Apartment Teil einer Falle meinerseits gewesen war. Zumeist jedoch ging ich über die peinlichen Umstände hinweg, in denen uns Seth vorgefunden hatte. Weiter und weiter redete ich und wusste die meiste Zeit nicht einmal, was ich da sagte. Ich wusste nur, dass ich weiterreden musste, weiterhin den Versuch unternehmen musste, Seth zu erklären, was eine Erklärung erforderte.
Endlich kam ich zum Ende, mein Redefluss war versiegt. »So. So, das war’s, vermutlich. Du kannst es glauben oder nicht, aber die Kräfte des Guten und Bösen – wie Menschen sie wahrnehmen, zumindest – sind lebendig und sehr wohl in der Welt, und ich bin eine davon. Diese Stadt ist voller übernatürlicher Agenten und Wesen; Menschen erkennen sie einfach bloß nicht. Was wirklich auch gut ist. Wenn sie nämlich zu viel von uns wüssten, fänden sie vielleicht heraus, wie bemitleidenswert und beschissen unser Leben tatsächlich ist.«
Ich schwieg und dachte, dass Seth, wenn er nicht bereits gesehen hätte, was er gesehen hatte, mich wahrscheinlich für verrückt gehalten hätte. Teufel, sogar jetzt hielt er mich wahrscheinlich für verrückt. Dazu hätte er allen Grund. Diese braunen Augen wägten mich und meine Worte schweigend ab, und ärgerliche Tränen stiegen mir in die meinen. Ich sah beiseite, um sie zu verbergen, und blinzelte mehrmals rasch. Denn wenn man Sukkuben auch nachsagte, alle möglichen bizarren Dinge in der Gegenwart sterblicher Männer zu tun, so gehörte Weinen bestimmt nicht dazu.
»Du hast gesagt … du hast gesagt, du warst einmal menschlich.« In den Worten schwang Verlegenheit mit, während er zweifelsohne versuchte, das ganze Konzept von sterblich und unsterblich zu erfassen. »Wie … wie bist du dann zum Sukkubus geworden?«
Ich sah ihn wieder an. In diesem Augenblick konnte ich ihm nichts verweigern, wie schmerzlich es auch sein mochte.
»Ich habe einen Handel abgeschlossen. Wie ich dir früher schon erzählte, war ich verheiratet … und habe meinen Gatten betrogen. Die Konsequenzen dessen waren … nicht erfreulich. Ich habe mein Leben verschachert – wurde zum Sukkubus -, um den Schaden wiedergutzumachen, den ich angerichtet hatte.«
»Du hast die Ewigkeit verschenkt, um einen Fehler zu berichtigen?« Seth runzelte die Stirn. »Das kommt mir nicht recht vor.«
Ich zuckte mit den Schultern. Mir war höchst unbehaglich bei diesem Thema. Darüber hatte ich nie mit jemandem gesprochen. »Ich weiß nicht. Es ist geschehen.«
»Okay.« Er rückte leicht im Bett umher, und das leise Scharren des Stoffs war der einzige Laut
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