Succubus Dreams
machen. Sonst tut es ja keiner.» Es stimmte. Andrew hatte so vielen geholfen, aber niemand stand ihm zur Seite, obwohl die Überlebenden der Seuche sich normalerweise nicht mehr ansteckten.
«Es spielt keine Rolle», sagte Andrew mit brüchiger Stimme zu mir. «Ich bin froh, dass sie überlebt haben.»
«Ihr werdet auch überleben», beharrte ich, obwohl die Zeichen allmählich dagegen sprachen. «Ihr müsst weiterleben, damit Ihr Eure ärgerlich guten Werke fortführen könnt.»
Er brachte ein Lächeln zustande. «Hoffentlich, aber ich glaube, meine Zeit in dieser Welt nähert sich dem Ende. Du hingegen…» Er sah mich an – sah mich wirklich an –, und ich war erstaunt über die Liebe, die ich in seinen Augen erblickte. Ich wusste, dass er sich zu mir hingezogen fühlte, aber so etwas hätte ich nie erwartet. «Du, Cecily… du wirst nicht krank. Du wirst weiterleben, stark, gesund und wunderschön. Ich spüre es. Gott liebt dich.»
«Nein», sagte ich traurig. «Gott hasst mich. Deswegen lässt er mich am Leben.»
«Gott gibt uns nur Aufgaben, die wir auch erfüllen können. Hier, nimm dies!» Er berührte das goldene Kreuz um seinen Hals, war jedoch zu schwach, es sich abzunehmen. «Nimm es, wenn ich gegangen bin.»
«Nein, Andrew, Ihr werdet nicht…»
«Nimm es!», wiederholte er so fest, wie es ihm gelingen wollte. «Nimm es, und denke bei seinem Anblick immer daran, dass Gott dich liebt, und wisse, dass keine Tragödie, die du erlebst, zu schwer ist, um sie zu ertragen. Du bist stark. Du wirst sie ertragen.»
Heiße Tränen strömten mir die Wangen hinab. «Ihr hättet das nicht tun sollen», sagte ich zu ihm. «Ihr hättet ihnen nicht helfen sollen. Ihr hättet überlebt, wenn Ihr es nicht getan hättet.»
Er schüttelte den Kopf. «Ja, aber dann hätte ich nicht mehr mit mir selbst leben können.»
Anschließend dauerte es noch ein paar wenige Tage. Ich blieb bei ihm, aber jeder Augenblick war eine Qual. Ich verabscheute es, zuschauen zu müssen, und war überzeugter denn je davon, dass es wirklich keine Macht gab, die dem Menschen ihr Wohlwollen entgegenbrachte.
Er starb ruhig und friedlich, fast ebenso, wie er gelebt hatte. Ein anderer Priester kam, um ihm die letzte Ölung zu spenden, und Andrews letzte bewusste Augenblicke spiegelten Hoffnung und absolutes Vertrauen in das Kommende wider. Ich blieb und sorgte für das Begräbnis – nicht, dass ich mich um viel hätte kümmern müssen, es gab auch nicht viel Drumherum. In jenen Tagen hatte man für Aufbahrungen oder üppige Leichenschauhäuser nicht viel übrig – zumindest nicht für Männer wie ihn.
Bald darauf verließ ich England und ging auf den Kontinent, und nach einer Weile nahm der Schmerz über seinen Tod eine neue Gestalt an. Oh, ich vermisste Andrew nach wie vor – es brannte und schmerzte immer noch in mir, und ich hatte nach wie vor das Gefühl, als sei mir ein Teil meiner selbst entrissen worden. Aber hinzu kam, dass das Schuldgefühl selbst schmerzte. Ich warf mir vor, dass ich mich besser um ihn hätte kümmern sollen. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er bei Ausbruch der Pest mit mir fortginge. Oder ich hätte mir vielleicht die Hände schmutziger machen sollen, als ich ihm bei der Pflege der Kranken half; vielleicht hätte es ihn von demjenigen ferngehalten, der ihn angesteckt hatte.
Florenz war eine wunderschöne Stadt und stand bei meiner Ankunft an der Schwelle zur Renaissance. Doch selbst nach Jahren inmitten dieses Glanzes und der Kunst quälte mich Andrews Tod immer noch. Ich vermisste ihn so sehr und der Schmerz des Schuldgefühls grub sich mir tief ins Herz. Er schwand niemals vollständig, wurde bloß schwächer – allerdings brauchte es dazu eine wirklich, wirklich lange Zeit. Wie Hugh gesagt hatte, bedeutet ein langes Leben schlicht mehr Zeit zum Trauern.
Kapitel 21
Fünf Minuten nachdem Seth gegangen war, begriff ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Nicht, weil ich ihn zurückgewiesen hatte – das war absolut richtig gewesen. Aber ich hätte ihn nicht so gehen lassen sollen. So durfte man keinen Streit beenden.
Noch nach all den Jahren war ich zornig, dass Andrew gestorben war, weil er diesen Leuten geholfen hatte. Sein Verlust schmerzte nach wie vor. Bis zu diesem Tag war ich der Ansicht, dass ich mich im Garten richtig verhalten hatte, trotzdem hatte ich stets die anschließende Trennung bereut. Ärger und Stolz hatten sich zwischen uns geschoben und uns voneinander getrennt, bis es
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