Succubus Dreams
bevorzugte Alltagsgestalt, und die hatte beim Geschäft nichts zu suchen.
Also schickte ich ihn lächelnd weiter und wünschte ihm insgeheim alles Gute bei der Erfüllung seiner sexuellen Wünsche.
Ich rief Seth später auf dem Heimweg von der Arbeit an, um unser Treffen festzuklopfen. Wir wollten uns den Nussknacker mit dem Pacific Northwest Ballett ansehen. Er hatte zwar sehr viel für die Bühnenkunst übrig, aber es war dennoch eine Herkulesaufgabe gewesen, ihn zum Besuch der Vorstellung zu überreden, wo doch das Ende seines Romans bevorstand. Immer noch konnte ich es kaum fassen, dass er zugesagt hatte. Er hatte erst nachgegeben, nachdem ich ihm versprochen hatte, er könne auf den allerletzten Drücker erscheinen.
Nur dass wir offensichtlich unterschiedlicher Ansicht darüber waren, was der ‹allerletzte Drücker› war, denn als die Lichter erloschen, war er immer noch nicht aufgetaucht. Das Ballett begann, und ich reckte den Hals jedes Mal, wenn ich eine der Türen hörte. Der Stuhl neben mir blieb leer, unglücklicherweise. Es war Zeichen meiner Unruhe, dass ich von einem großen Teil der Vorstellung nichts weiter mitbekam und Klärchens Traum gar nicht würdigen konnte – ein Traum, der für sie ebenso lebendig war wie der meine für mich. Ich liebte das Ballett. Während meines Lebens hatte ich in ein paar Shows mitgewirkt und war es niemals müde geworden, das Spiel von geschmeidigen Muskeln und kunstvoll gearbeiteten Kostümen zu beobachten.
In der Pause schaltete ich mein Handy ein und sah, dass Seth versucht hatte, mich anzurufen. Ich rief zurück, ohne mir die Nachricht auf der Mailbox überhaupt anzuhören. Als er sich meldete, sagte ich: «Erkläre mir bitte, dass ein verrückter Fan dich gekidnappt und dir die Beine mit einem Vorschlaghammer gebrochen hat.»
«Öh, nein. Hast du meine Nachricht nicht bekommen?»
«Eigentlich nicht. Mein Telefon hat mir nämlich mitgeteilt, sie wäre vor einer halben Stunde gekommen. Ich hatte es ausgeschaltet, weil ich mir die Vorstellung angesehen hatte. Weißt du, den Nussknacker.»
Er seufzte. «Tut mir leid. Ich konnte nicht los. Ich steckte zu tief drin. Ich habe gedacht, wenn ich, äh, dir eine entsprechende Nachricht…»
«Nachricht? Das war eher wie eine verspätete Glückwunschkarte zum Geburtstag! Sechs Monate nach dem Ereignis.»
Er schwieg, und ich merkte mit einer gewissen inneren Befriedigung, dass er im Stillen seine Übeltat zugab.
«Tut mir leid, Thetis. Es war… ich hätte es nicht tun sollen, beschäftigt oder nicht. Es tut mir wirklich leid. Du weißt, wie das bei mir ist.»
Jetzt seufzte ich. Er meinte es so verdammt bewundernswert ernst, dass es mir schwerfiel, brummig zu bleiben. Dies war jedoch nicht das erste Mal, dass er mich versetzt oder unsere Beziehung vergessen hatte. Manchmal fragte ich mich, ob ich ihm gegenüber zu nachsichtig war. Ich verbrachte so viel Zeit damit, mir Sorgen zu machen, ob ich ihm mit meinem Verhalten nicht allzu sehr zusetzte; vielleicht war ich ja diejenige, auf der herumgetrampelt wurde, ohne dass es mir recht bewusst war.
«Sollen wir uns nach der Vorstellung treffen?», fragte ich und gab mein Bestes, sauer zu klingen. «Cody hat mich mit den anderen in die Bar eingeladen. Wir könnten eine Weile bei ihnen bleiben.»
«Äh… nun ja, nein.»
«Nein?» Die halb unterdrückte Verärgerung gewann wieder Oberhand. «Ich habe dir gerade dafür vergeben, dass du mich versetzt hast und dass ich das Geld für deine Eintrittskarte zum Fenster rausgeschmissen habe, und jetzt schlägst du mein Friedensangebot aus?»
«Sieh mal… es tut mir wirklich leid, aber dich und deine Freunde dabei zu beobachten, wie ihr euch betrinkt, bietet nicht allzu viel Reiz.»
Einen Augenblick lang saß ich da, zu verblüfft für eine Retourkutsche. Er hatte auf seine typische Art und Weise gesprochen, sanft, aber ich hatte den ganz leisen Unterton von Spott in seinen Worten sehr wohl herausgehört. Seth trank nicht. Er tolerierte meine Exzesse gutmütig, aber ich fragte mich plötzlich, ob sie ihn nicht doch ärgerten. Was er sagen wollte, klang in meinen Ohren recht arrogant.
«Tut mir leid, wenn wir deinem Niveau nicht entsprechen. Gott weiß, dass wir nicht von dir erwarten können, dass du mal über deinen Tellerrand hinausblickst.»
«Bitte, hör auf! Ich möchte mich nicht mit dir streiten», sagte er verzweifelt. «Es tut mir wirklich, wirklich, wirklich leid. Ich wollte dich nicht versetzen. Das weißt
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