Succubus Dreams
äußerst merkwürdig vor. Hugh, der schweigend zuhörte, schien ebenso wütend zu sein wie ich. Ich hätte erwartet, dass er Seth genau wie die Vampire unbekümmert mit action-geladenen Details nerven und herumposaunen würde, wie cool seine Heldentat gewesen sei. Aber das Gesicht des Kobolds war rot angelaufen und versteinert, und er hielt den Blick betont auf die Karten gerichtet.
«Der Typ war wahrscheinlich high», bemerkte Peter. «Man weiß nie, was dabei rauskommt. Wenn man’s sich recht überlegt, war dein Eingreifen ganz schön mutig.»
Ich ertrug es nicht mehr.
«Es war dämlich!», schrie ich. Sämtliche Köpfe fuhren zu mir herum. Ich übersah sie und hielt den Blick auf Seth geheftet. «Es war töricht und idiotisch und und…» Mir wollten keine Synonyme mehr einfallen, also beließ ich es dabei. «Du hättest dich zurückhalten sollen. Er hätte mich nicht verletzen können. Er hätte mich nicht töten können. Du hättest die Sache mir überlassen sollen!»
Ich wusste, dass Seth es verachtete, Mittelpunkt einer solchen Auseinandersetzung zu sein, aber er erwiderte meinen Blick überraschend grimmig.
«Georgina, das war ein Mann mit einer Waffe in einer dunklen Gasse. Du hast vor ihm gestanden. Meinst du wirklich, dass ich da sämtliche logischen Szenarien durchgegangen wäre? ‹Oh, Moment mal. Sie ist unsterblich, also muss man sich keine Sorgen machen, selbst wenn sie angeschossen wird›.»
«Ja», knurrte ich. «Das hättest du dir überlegen sollen.»
«Was ich überlegt habe, war: ‹Die Frau, die ich liebe, ist in Gefahr, und ich würde lieber selber sterben, als zuzusehen, wie ihr etwas zustößt›.»
«Aber mir wäre nichts zugestoßen!»
«Es ist ein menschlicher Urinstinkt, diejenigen zu schützen, die man liebt. Selbst wenn sie unsterblich sind.»
«Das ist doch völlig sinnlos!»
«Das sagst du, weil du schon seit urlanger Zeit kein Mensch mehr bist», fauchte er.
Das traf mich wie ein Schlag. Ich fuhr aus meinen Stuhl hoch und stolzierte ins Bad. Tränen der Wut stiegen mir in die Augen, die ich nicht vor meinen Freunden zeigen wollte. Ich drückte die Stirn an den Spiegel und probierte sämtliche üblichen Tricks aus, mich wieder zu beruhigen. Tief durchatmen. Bis zehn zählen. Nichts half.
Ich verstand es nicht. Ich verstand es einfach nicht. Und Seth verstand es anscheinend auch nicht. Wie konnte er es nicht verstehen? Angeschossen werden – in den Kopf, ins Herz, egal wohin – täte verdammt weh. Der Schmerz wäre eine Folter. Aber nach etwa einem Tag hätte ich mich wieder erholt. Ich würde weiterleben.
Aber Seth nicht. Warum sah er den Ernst der Angelegenheit nicht ein? Tod war eine Sache der Ewigkeit. Ich schloss fest die Augen und versuchte, das Bild eines toten Seth nicht an mich heranzulassen. Kalt. Still. Kein Funkeln mehr in diesen braunen Augen. Keine warme Hand, die meine hielt. Ein Schluchzen stieg mir die Kehle hoch, das ich gewaltsam unterdrückte.
Nachdem ich mehrmals tief durchgeatmet hatte, fühlte ich mich schließlich wieder in der Lage, zu den anderen zurückzukehren. Aber als ich das Bad verließ und um die Ecke in die Küche gehen wollte, hörte ich weiteres Geschrei. Hugh.
«Es war tapfer, okay? Edel. Galant. Eine Goldmedaille wert. Aber sie hat Recht! Es war dämlich. Es war so verdammt dämlich, und du bist noch dämlicher, verdammt, dass du es nicht kapierst!»
«Ich kapier’s ja», sagte Seth. Ich hörte die Erschöpfung und Verzweiflung in seiner Stimme. «Ich hätte sterben können. Das weiß ich, okay? Aber ich habe nicht über das größere Wirken des Universums nachgedacht. Ich habe an sie gedacht.»
«Nein», meinte Hugh. «Das hast du nicht. Ich bin es so gottverdammt leid, alle Welt davon reden zu hören, wie schwer es für dich ist. Alle quatschen immerzu davon, wie erstaunlich es ist, dass du mit dieser Beziehung umgehen kannst. Aber, mein Gott, was ist denn so schwer daran? Du hast diese wunderschöne, superschlaue Freundin, die nicht altert, verdammt! Sie liebt dich. Ich weiß, dass ihr keinen Sex haben könnt, und alle tun so, als ob dadurch die Welt zugrunde gehen würde, aber nun komm schon! Ich sehe nicht, dass du allzu sehr darunter zu leiden hast.»
«Worauf willst du hinaus?», fragte Seth.
«Ich will darauf hinaus, dass sie diejenige ist, die leidet. Sie weiß, dass dein Leben eine tickende Zeitbombe ist. Was bleiben dir denn noch, vielleicht weitere fünfzig Jahre? Und das nur, wenn dich weder eine Krankheit
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