Succubus on Top
gesagt, ich weiß es nicht. Wirklich. Aber ehrlich… wenn es so leicht fällt, ihn aufzustöbern, muss ich mir sagen, dass da etwas Seltsames vor sich geht. Sei bloß vorsichtig, okay?» Sein Gesicht war jetzt völlig ernst. «Du bist klug. Du kriegst das schon hin.»
«Und du wirst mir vermutlich nicht, niemals, sagen, wer dieser Bursche nun wirklich ist?»
«Ich glaube daran, dass Unwissenheit ein Segen ist.»
Ich warf die Hände in die Höhe und wusste nicht, was ich sonst noch hätte sagen können. Carter erzählte mir noch ein paar Witze und stand dann zögernd zum Gehen auf, wobei er mich neugierig ansah.
«Du willst ganz bestimmt nicht reden? Dich bedrückt doch offensichtlich was.»
«Stimmt schon. Aber da muss ich selbst mit klarkommen.»
«Wie du willst. Bis später.» Einen Augenblick später war der Engel verschwunden.
Etwa eine Stunde später tauchte Seth auf, ein wenig blaue Farbe im Gesicht. «Terry und Andrea streichen jetzt die Küche.»
Ich lächelte ihn an und schluckte sämtliche in mir brodelnden Gefühle hinunter. «Wie kannst du so schmutzig werden, wenn du nicht mal selbst den Pinsel in die Hand nimmst?»
Ich suchte einen Waschlappen und tupfte damit vergebens an seinem Gesicht herum. Es wurde nicht sauber Während ich so nahe bei ihm stand, überfiel mich blitzartig die Erinnerung an die vergangene Nacht. Seine Hände, die meine Brüste streichelten. Ihn spüren, wie er mich erfüllte. Unsere Leiber in gemeinsamer Bewegung. Seine Lippen, die sich leicht teilten, als er kam.
«Es geht nicht ab», sagte ich abrupt und riss mich los.
«Oh. Na gut.»
Den Rest des Abends brütete ich schweigend vor mich hin und blieb steif und distanziert gegenüber jeder Berührung. Seth fing die Schwingungen sofort auf, und er ließ mich in Ruhe. Wir gingen ein paar Blocks zu einem Filmtheater hinab, das nur für den Oscar nominierte Streifen sowie unabhängige Autorenfilme zeigte. Wir sahen uns einen von Letzteren an, und ich muss zugeben, dass er mich von meinem Liebesleben ablenkte, wenn auch bloß für zwei Stunden.
Hinterher saßen wir in einem italienischen Restaurant und ich ließ mich von Seth in eine Debatte über die Qualitäten des Films hineinziehen. Es erstaunte mich, dass mein Mund beim Gespräch mithalten konnte, während der gesamte Rest meiner selbst in einer völlig anderen Welt weilte.
Immer und immer wieder spulte ich das Geschehen der vergangenen Nacht in Gedanken ab – und nicht bloß den Teil mit dem Sex. Ich analysierte alles, die Ereignisse, die dazu geführt hatten. Warum hatte ich es getan? Was hatte mich zum Nachgeben veranlasst? War es wirklich ein altruistischer Versuch gewesen, das Verhältnis zwischen Seth und mir dadurch zu reparieren, dass ich mich vom verlockenden Gefühl befreite? War es ein schmerzliches Verlangen gewesen, bei Bastien Trost zu finden? Oder, am wahrscheinlichsten, war es etwas Selbstsüchtiges meinerseits gewesen? Ein brennendes Verlangen, das zu berühren, was ich nicht haben durfte – nicht, weil es vielleicht hilfreich für unsere Beziehung gewesen wäre, sondern weil ich es einfach wollte. Ich hatte dieses Vergnügen haben wollen. Mich hatte es nach seinem Leib verlangt und ich hatte einfach dem selbstsüchtigen Verlangen nachgegeben. Schließlich war ich eine Kreatur der Hölle. Mir war schon zuvor aufgefallen, dass wir nicht gerade für unsere Selbstbeherrschung bekannt waren.
Trotzdem änderte das nichts an der Tatsache, dass es geschehen war. Es war geschehen und ich musste etwas unternehmen. Oder… musste ich wirklich?
Seth saß mir gegenüber und schien glücklich und zufrieden, als wir so redeten. Unwissenheit ist wirklich manchmal ein Segen. Ich dachte an die Listen zurück. Wenn er es nie herausfand, könnte ihm die Wahrheit nicht wehtun. Wir könnten weitermachen wie bisher. Das einzige Problem wäre, dass ich die Wahrheit kannte. Ich musste mit diesem Verrat leben, nicht nur mit dem Verrat an unserer körperlichen Beziehung, sondern auch an unserem Versuch, ehrlich und offen miteinander umzugehen. Ein weiterer Eintrag auf der Liste dunkler und hässlicher Geheimnisse, die ich bereits in mir hütete.
«Bist du bei mir, Thetis?», fragte er auf einmal.
«Hm?»
Er schenkte mir ein kleines, süßes Lächeln und streckte die Hand nach meiner aus. Ich erwiderte den Druck. «Du siehst aus, als wärst du meilenweit weg.»
Ich erwiderte sein Lächeln nur halb. Anscheinend war ich doch nicht so raffiniert, wie ich gedacht hatte.
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