Such mich Thriller
aber von der misshandelten Frau keine Hilfe. Es gab eine Vorgeschichte häuslicher Gewalt. Zweimal erlitt sie einen Kieferbruch, erstattete aber nie Anzeige. Zwei Jahre nach dem Verschwinden ihrer Tochter tauchte auch Darwinia - oder Miriam - ab. Der Polizei war klar, dass sie nicht nach einer Leiche suchen mussten, und haben sie ziehen lassen. Aber das hätte Christine Nahlman Ihnen sagen können. Sie hat die Sache rausgekriegt und Dale die ganze Geschichte erzählt.« Riker rückte näher an Cadwaller heran, als gelte es, ihm ein Geheimnis anzuvertrauen. »Wir wissen, dass Sie zur Freak-Brigade gehören …«
»Zum Dezernat für Fallanalysen«, verbesserte Mallory Rikers rüden Ton. »Das ist schließlich nicht Cadwallers Schuld.« Charles Butler wunderte sich - so kannte er sie gar nicht. Mit
geheucheltem Mitgefühl wandte sie sich an den Agenten. »Sobald Sie die Frau sahen, wussten Sie, dass Dale wieder was vermasselt und Ihnen nur die Zeit gestohlen hatte, stimmt’s?« Damit hatte sie einen FBI-Agenten davor bewahrt, wie ein Trottel dazustehen.
Auch das war nicht ihr Stil.
Cadwaller klappte sein Notizbuch zu und sah dankbar zu Mallory auf, die nun ihrerseits dicht an ihn heranrückte und in verschwörerischem Ton fragte: »Und wenn er diesmal nun nicht Mist gebaut hat?«
»Was?«, fragte Riker gereizt und setzte sich neben seine Partnerin. »Nimmst du diesen Idioten Dale auch noch in Schutz?«
Charles fand diese neuartige Version der Reise nach Jerusalem, diese wechselnden Allianzen, überaus verwirrend.
Mallory sah Cadwaller scharf an. »Wenn Dale nun mit Ihnen spielt?«
Cadwaller steckte sein Notizbuch ein und tat, als interessiere er sich für einen unsichtbaren Fussel auf seinem Ärmel. »Ich glaube, wir sind hier fertig.« Ohne ein weiteres Wort stand er auf und ging.
Charles sah erst Riker, dann Mallory an. »Was ist mir entgangen?«
»Nicht viel.« Riker setzte sich wieder vor sein Tablett und schob Mallory den Laptop hin, aber die sah ihn nicht mal an. Riker legte besorgt die Stirn in Falten. Das drohte zu einem Dauerproblem zu werden - wie bei einem Kind, das sich weigert, seine Vitamintabletten zu nehmen. »Dass Cadwaller nicht Dales Liebling ist, ist mir klar. Aber wenn er etwas über Dale weiß, will er es uns offenbar nicht verraten.«
»Du glaubst also nicht, dass Agent Berman für die Leitung eines Einsatzkommandos einfach zu inkompetent ist?«, fragte Charles.
»Nein. Bermans Fehler sind geradezu unfassbar.«
»Genau«, bestätigte Riker. »Absolut dämlich.«
»Meinst du?« Mallory hängte sich den Rucksack über ihre Schulter. »Überleg mal, Riker. Dale war clever genug, um einmal sogar Markowitz reinzulegen. Und dich auch, wenn ich mich recht erinnere.« Und den letzten Satz flüsterte sie Riker ins Ohr. »Und er tut es noch.«
Agentin Nahlman wusste nicht, wo Barry Allen abgeblieben war. Vielleicht hatte man ihn zu der Grabung weiter westlich geschickt. Dale Berman entzog ihr viel zu oft den Partner. Sie selbst hatte er heute an die Polizei ausgeliehen und zu einem Kindermädchen für die Medien degradiert. Deren Fahrzeuge waren vom Tatort auf ein Gebiet umgeleitet worden, wo sie ihre Kameras und Scheinwerfer in Stellung bringen konnten. Eine lange Reihe von Starreportern - männlichen und weiblichen - stand bereit, um live über ein kleines Grab zu berichten, das sie nie zu Gesicht bekommen würden. Danach würde sie hundert Mal »Kein Kommentar« sagen oder für die Begriffsstutzigeren diese Aussage entsprechend abwandeln müssen. Dales Talent, mit solchen Laberbacken und ihrem Tross zurechtzukommen, war unbestritten, nur fand er offenbar, dass diese Aufgabe eher was fürs Personal war.
Christine Nahlman hielt einen der Anfänger am Ärmel fest, beförderte ihn zum Presse-Verbindungsmann und ging zurück zur Grabungsstelle.
Dort erwartete sie eine Überraschung. An den Anblick von Gebeinen war sie gewöhnt, aber dieses Kind war in trockenem Boden mumifiziert worden, so dass man mühelos eine Stupsnase, ein zartes Kinn, eine durchschnittene Kehle erkennen konnte.
Agentin Nahlman blickte die Straße hinunter, als könnte sie
bis zu dem Restaurant sehen, wo die Elternkarawane auf Nachricht, auf den Namen eines kleinen Mädchens, wartete. Manche der Teilnehmer hatten Kinder, auf die das Opferprofil passte. Andere - viele - saßen über das ganze Land verteilt atemlos am Fernseher, während die kleine Leiche Schicht für Schicht ans Licht kam.
Wer würde heute das
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