Such mich Thriller
und sich ans Ende der Karawane zu setzen, die sich jetzt über gut eine Meile erstreckte. Dort machte er sich bei jeder Ausfahrt darauf gefasst, dass weitere Ausreißer auf die Route 66 wechseln würden, aber die Eltern blieben brav auf der Interstate 40. Die nächsten Interviews mit den Medien lockten.
Der Verkehrsfunk brachte einen Situationsbericht: »… und Reisende sollten diesen Abschnitt der Interstate meiden. Unser Hubschrauber zählt zweihundertfünfundsiebzig Autos, die langsamer fahren, als aufgrund des Tempolimits möglich wäre.«
Eine Untertreibung.
Der Tacho des Mercedes stand auf fünfundvierzig Meilen pro Stunde, und die Nadel ging weiter nach unten. Die Autobahn war durch den Konvoi völlig verstopft, aber die Anwohner hatten sich von dem Verkehrsbericht nicht abschrecken lassen. Menschen, Personenwagen und Trucks säumten die Straße. Viele Zuschauer hatten Picknickkörbe mitgebracht und Kleinkinder auf dem Arm. Sie winkten dem Konvoi zu und hielten Schilder hoch, auf denen »Gott schütze euch« und »Alles Gute« stand. Die Buchstaben waren so groß, dass Riker sie ohne Brille lesen konnten. In die Weite sah er bestens, und deshalb entdeckte er auch das erste Papierflugzeug, das sich in die Luft erhob. Ein groß gewachsener Mann, der mit der ganzen Familie gekommen war, fing es auf. Als der Mercedes vorbeifuhr, faltete der Texaner es auseinander. Es war das Poster eines verschwundenen Kindes.
Der Hubschrauber meldete die Szene an den Radioreporter, während weitere Papierflugzeuge starteten. In Schwärmen kamen sie aus den Wagenfenstern. Manche stiegen zum Himmel hoch, andere wurden von Erwachsenen aufgefangen oder von Kindern aufgelesen, die hinter ihnen herjagten.
Kleine Luftschiffe mit großen Hoffnungen.
In Mallorys Sammlung wichtiger Handynummern fand sich auch eine, unter der sie Harry Mars erreichen konnte, und ihr Anruf wurde an die Mailbox weitergeleitet. Sie setzte auf den guten Namen eines Cops - nicht ihres eigenen - und hinterließ als Nachricht: »Hier spricht die Tochter von Markowitz.«
Es durchfuhr sie wie ein Stich - konnte das ein schlechtes Gewissen sein? Es passierte ihr nicht zum ersten Mal, seit sie New York verlassen hatte. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie den Mann hinterging, der sie aufgezogen hatte, seit sie zehn
war. Es war die Musik, die sie auf dieser Straße immer wieder an ihn erinnerte.
Musik war die einzige Gemeinsamkeit ihrer beiden Väter. Louis Markowitz war nie jung gewesen - allenfalls spätabends nach dem Essen, dann hatte er die Stereoanlage auf volle Lautstärke gedreht und gerockt. Tanzverrückt hatte seine Frau, die sanfte Helen, ihn genannt, und auch sie hatte sich, nachdem sie den Teppich aufgerollt hatten, von ihm übers Parkett führen lassen. Die Tanzabende gehörten zu Mallorys kostbarsten Erinnerungen.
Lou Markowitz hatte gelebt, um zu tanzen.
Peyton Hale hatte gelebt, um Auto zu fahren - das hatte Cassandra ihr über ihren leiblichen Vater erzählt, viel mehr aber auch nicht. Oder doch? Mallory war an dem Tag, an dem ihre Mutter starb, sechs, nein fast sieben gewesen. Wie viele Erinnerungen waren verloren gegangen? Den Namen ihres Vaters hatte sie immer gekannt und auch gewusst, woher sie ihre grünen Augen hatte, aber Fotos von ihm hatte ihre Mutter nicht aufgehoben, wahrscheinlich wollte sie nicht an die Trennung und den Verlust erinnert werden.
Vor Savannah Sirus’ Besuch hatte sie vom Leid ihrer Mutter nichts gewusst, dem immer neuen Schmerz, wenn Kathy frühmorgens auf dem Bett ihrer Mutter herumgesprungen war und Cassandra mit Peytons grünen Augen geweckt hatte.
Wieder so ein seltsamer Stich.
Ihr Handy piepste.
Auf dem Parkplatz kamen nicht alle Fahrzeuge unter. Die meisten Stellplätze hatten die Reporter und die FBI-Agenten schon mit Beschlag belegt. Riker stieg aus und spielte Verkehrspolizist, und Charles Butler sah zu, wie sein Freund den Stau auflöste, Autos auf benachbartes Gelände lotste und die Fahrer
aufforderte, sich ordentlich in die Reihe zu stellen. »Tut einfach so, als ob ihr zum Einkaufszentrum wollt«, rief er.
Während Charles nun seinerseits versuchte, seinen Wagen unterzubringen, hörte er plötzlich überall aufgeregtes Piepsen. Die Reporter griffen nach ihren Handys.
Massenflucht!
Die Medienleute rannten zu ihren Fahrzeugen, die Hubschrauberflotte wirbelte Staub auf, Rotoren knatterten, dann gingen die Helis in die Luft. Aus dem Restaurant stürzten FBI-Leute zu ihren Autos,
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