Such mich Thriller
die in einem Geschirr an den Kühlergrill zwischen den Scheinwerfern gefesselt war.
»Damit hast du nicht gerechnet«, sagte Charles. »Und jetzt?«
»Mein Plan steht.«
»Du bist wahnsinnig!«
»Viele Möglichkeiten habe ich nicht. Er wird warten, bis ich
näher herangekommen bin. Ich soll zusehen, wie er Dodie tötet.«
Charles war beunruhigt. Mallory fiel es allzu leicht, sich in einen Serienmörder hineinzuversetzen. »Das kannst du nicht machen. Nicht, solange Dodie da vorn angebunden ist.«
Sie schaltete die Scheinwerfer aus und fuhr rückwärts auf die befestigte Straße unterhalb des Hangs. »Damit spanne ich ihn jetzt erst mal auf die Folter. Damit es klappt, muss ich das Rohr ein bisschen anders justieren.«
»Du hast das alles sicher genau berechnet.« Charles stieg aus und löste den Stacheldraht, mit dem das Rohr an dem Rahmen der zersplitterten Windschutzscheibe befestigt war. »Geschwindigkeit, Entfernung und so weiter.« Es war keine Frage - Mathematik war ja ihre Stärke. Auf die Gefahr hin, sie gegen sich aufzubringen, wenn er eine Selbstverständlichkeit aussprach, fuhr er fort: »Dann ist dir auch klar, dass du, wenn wir Vollgas geben, keine Zeit zum Bremsen hast und die Kollision unvermeidlich ist. Selbst du kommst gegen die Gesetze der Physik nicht an.« Er lächelte ein wenig, trotz seiner zerschundenen Finger, und stellte den Winkel der Lanze nach ihren Angaben neu ein.
»Jetzt haben wir mehr Spielraum auf der linken Seite«, stellte er fest. »Sieht fast so aus, als würden wir seinen Wagen ganz verfehlen.«
»Schon möglich.«
Etwas in ihrer Stimme ließ bei Charles sämtliche Alarmglocken schrillen, aber dass Mallory plötzlich ihre Waffe auf ihn richtete, traf ihn trotzdem völlig unvorbereitet. Was hatte er verbrochen? Er umklammerte die Lanze, denn nur so konnte er verhindern, dass sie ohne ihn losfuhr.
»Lass los, Charles. Du kommst nicht mit.«
Obgleich ihm sein Leben lieb war, schüttelte er den Kopf.
Mallory hob die Waffe ein wenig höher und zielte auf sein Gesicht. »Ich hab dich sehr gern, Charles, das weißt du - so gern, dass ich auch auf dich schießen würde.«
Er begriff sofort und glaubte ihr. Trotzdem ließ er nicht los.
Sie ließ die Waffe fallen und warf ihm ihren Rucksack an den Kopf. In einer Reflexbewegung ließ er von der Lanze ab, um den Rucksack aufzufangen - und weg war sie.
Mit hämmerndem Herzen hastete er den Abhang hoch. Sie hatte sich wieder hinter das Gatter gestellt und blinkte zweimal. Er lief schneller, seine Beine schmerzten, die Brust wurde ihm eng. Fast geschafft. Mallory ließ den Motor aufheulen. Der Wagen machte einen Satz. Sekunden später hatte sie die Lücke zu dem Fahrzeug ihres Gegners geschlossen, im Duell aufeinandertreffender Scheinwerfer und blendender Lichtbahnen, die zu einem einzigen Lichtermeer verschmolzen, splitterte Glas, traf Metall knirschend auf Metall. Beide Fahrzeuge hatten einen Scheinwerfer verloren und waren durch Mallorys Lanze untrennbar miteinander verbunden. Charles kam ins Stolpern, als er sah, wie ihr Körper lautlos nach oben geschleudert wurde und in einem weiten Bogen hinter dem zerstörten silberfarbenen Cabrio zu Boden ging.
Dodie stand unversehrt vor dem Pickup. Die Leine ihres Geschirrs hatte sich gelöst, aber sie hatte es nicht eilig, sich von dem noch funktionierenden Scheinwerfer wegzubewegen. Charles rannte an ihr vorbei, vorbei auch an dem rechtem Kotflügel des Cabrios, der an einer Seite des Trucks klebte, folgte der Lichtbahn ihres Scheinwerfers und fand Mallory regungslos am Boden liegen.
Sie hatte sich auf das erste Newtonsche Gesetz, das sogenannte Trägheitsgesetz, verlassen. Der Pickup war trotz der Wucht des Aufpralls an Ort und Stelle geblieben. Sie hatte lange genug Kurs gehalten, um die Windschutzscheibe zu treffen,
und war dann scharf nach links ausgeschert, aber eine Stoßstange war in den Pickup gekracht. Der Schlenker hatte Dodie gerettet, aber zu ihrer eigenen Rettung war Mallory keine Zeit geblieben.
Ein Blick in die Fahrerkabine des Pickups war eigentlich überflüssig: Am Steuer musste eine kopflose Leiche sitzen. Während Charles versuchte, Mallorys Blut zu stillen, hörte er eine Kinderstimme acht Töne summen. Dodie Finn hatte sich in die Dunkelheit einer Landschaft zurückgezogen, in der es keinen Mond, keine Sterne, kein Wissen um Schmerz gab.
Das zweite Geräusch, ein würgendes Weinen, kam von Charles.
23
I n Kingman, Arizona, liefen keine Reporter mehr frei
Weitere Kostenlose Bücher