Suche nicht die Suende
vorherbestimmt,
mir
zu passieren.« Er holte hörbar Luft. »Verrate mir nur eines: Was, glaubst du, wäre mit
dir
passiert? Wenn ich nicht zufällig dort ›herumgeschlichen‹ wäre? Denkst du, er hätte dich gehen lassen?«
»Ja! Er ist ein –« Na gut, ein Gentleman war Barrington ganz offensichtlich nicht. »Er hat nicht gewusst, dass ich in die Täuschung eingeweiht war«, sagte sie.
Er schien sie gar nicht gehört zu haben. »Vielleicht habe ja etwas falsch verstanden«, sagte er jetzt – und sprach mit einer schrecklichen Höflichkeit. »Hattest du eine Verführung geplant? Hast du dein Augenmerk auf ihn gerichtet, weil ich dich –«
»Sei kein Idiot«, fiel sie ihm zornig ins Wort. »Ich werde dir sagen, was passiert wäre. Ich hätte ihn niemals geküsst, hätte ich dich dort nicht in deinem Versteck gesehen. Und falls er mich geküsst hätte, hätte ich ihn abgewiesen!«
Er lachte. Doch es war kein angenehmes Lachen. Ihr stellten sich die Nackenhaare hoch. »Du hättest ihn abgewiesen!«
»Ja!«
»Du wärest einfach davongegangen.«
»Ja, genau das!«
»Hättest du das denn tun können?« Er nahm ihre Hand und zog sie zu sich. »Zeig es mir«, zischte er in ihr Ohr und umarmte sie so rasch, dass sie trotz des Überrumpeltseins oder vielleicht gerade deswegen wie in einer anmutigen Tanzdrehung herumwirbelte. Ihr Rücken stieß gegen seine Brust.
Sie standen vor dem kleinen Spiegel über dem Waschtisch. Im Spiegelbild sah Alex – anders aus. Und sie auch. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Brust hob und senkte sich heftig. Wie Fotografien von sich sahen sie aus, wie schablonenhafte Typen: der Schurke mit dem schlechten Ruf, und die Erbin, reif für die Plünderung.
Gwen streckte sich; sie brauchte seinen Halt nicht. Er zog sie zurück an seine Brust.
»Los doch.« Seine Stimme klang tief und rau. »Nur zu, Gwen. Versuch, dich von mir zu befreien.«
Sie schob seinen Arm weg. Er bewegte sich nicht. »Ich hätte ihn getreten«, sagte sie.
»Versuch es.«
»Ich will dich aber nicht treten!«
»Denkst du, du könntest das?« Unvermutet hatte sich sein Blick verändert, wirkte jetzt neutral und gleichgültig – er musterte sie im Spiegel mit der müßigen Neugier eines Fremden. »Hast du nie von meinem kleinen Hobby gehört? Ich war sicher, meine Schwestern hätten erwähnt, dass ich mich damit beschäftige, Männer aus Spaß zu treten. Ihnen gelegentlich das Kinn zerschmettere. Männer, die sehr viel größer und stärker sind, als du sie kennengelernt hast.« Sein Gesicht verdunkelte sich. Seine Worte nahmen einen leicht gehässigen Klang an. »Es ist eine besonders effektive Art zu kämpfen. Barrington hätte das heute Nacht erfahren, hättest du nicht das Bedürfnis gehabt,
dich einzumischen
.«
Sie schluckte. Alex hatte Barrington mit der Kraft und der Leichtigkeit eines Löwen niedergerungen, der eine alte, lahme Gazelle reißt. Sie hätte davor Angst haben können, hätte jemand anders diese Gewalt ausgeübt. Aber es war Alex gewesen. Sie kannte ihn.
Er irrte sich jedoch, wenn er dachte, er hätte Barrington ohne ihre Hilfe überwältigen können. Ein zerschmettertes Kinn war das eine, aber eine Waffe konnte töten. Sein Zorn war unfair. Und das passte nicht zu ihm. Alex konnte grausam sein, aber er war niemals unfair.
»Er hatte eine Pistole«, sagte sie.
Hörbar zog er den Atem ein. »Ja«, sagte er.
Sie sah ihm im Spiegel ins Gesicht, begegnete seinen Augen, und etwas in ihr – ihr Bauch, ihr Herz, Gott wusste was – zog sich zusammen.
Er hatte Angst um sie gehabt.
Gott im Himmel. Alex hatte tatsächlich Angst gehabt.
Sie hatte sich an seinem Unterarm festgeklammert, hatte sich gegen ihn gestemmt. Jetzt lockerte sich ihr Griff. Zögernd strich sie mit der Hand über sein Handgelenk und wieder zurück. »Es ist alles in Ordnung«, wisperte sie. »Alex, es geht mir gut.«
Er ließ den Arm sinken. Trat einen Schritt von ihr zurück. »Ich bin überrascht, dass du so lange überlebt hast«, sagte er mit kalter Stimme. »Du bist dir selbst nicht viel wert, nicht wahr? In deinen Augen hast du keinen Wert, abgesehen von dieser Zahl, die dir durch das Vermögen deiner Eltern zugeteilt wurde.« Er machte ein verächtliches Geräusch. »Miss Drei-Millionen-Pfund, die sich an jeden Mann verschleudert, der ihr in diesem Monat seine Aufmerksamkeit schenkt.«
Ein Atemzug entfloh ihr. Er wusste so gut, wie er sie verletzen konnte. »Dafür sollte ich dich schlagen«, sagte sie
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