Suche nicht die Suende
die er verführte.
Es verdrängte alles Denken.
Und dann blieb nur die eine Gewissheit: Sie würde sich auf gar keinen Fall benehmen. Das Ergebnis war weitaus langweiliger.
»Jetzt, da er mich daran erinnert, gebe ich zu, dass ich Mr de Grey schon ein wenig kenne«, sagte sie mit einem Seufzen zu Mr Barrington. »Aber seine Aufmerksamkeit ist so unbeständig, dass er mir kaum vorwerfen kann, dass ich es für kurze Zeit vergessen hatte.«
Mr Barringtons Miene hellte sich auf. Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln vollkommenen Verstehens. »Es will mir kaum gelingen, mir vorzustellen, dass ein Mann so dumm sein könnte, Sie zu vernachlässigen, Miss Goodrick.«
Alex’ warme Hand legte sich um ihren Nacken, seine Fingerspitzen streichelten ihn leicht. »Oh, sie wird keineswegs vernachlässigt«, murmelte er, und seine heisere Stimme schickte zusammen mit seinem Streicheln einen kleinen ungewollten Schauder über Gwens Haut. »Es gefällt ihr einfach nur, sich zu beklagen.«
Mr Barrington sah Alex an. »Im Sopran?« fragte er. »Oder im Mezzosopran, was würden Sie sagen?«
Alex’ Hand hielt inne. Sie erahnte dies als ein Zeichen seiner Verwirrung. Er hatte keine Ahnung, dass sie sang. Es war ein Talent, das sie zwar von ihrer Mutter geerbt, das diese aber nie gefördert hatte. »Keines von beiden«, sagte sie.
»Sie sind Altistin?« Mr Barrington sah entzückt aus, obwohl er sein Lächeln an Alex richtete. »Oh, wirklich, Miss Goodrick, jetzt
muss
ich Sie singen hören.«
Alex erwiderte das Lächeln. »Müssen«, wiederholte er gleichmütig. »Dieses Wort kann gefährlich sein, denke ich.«
Das kurze, angespannte Schweigen, das nun folgte, machte Gwen nervös. »Ich war vor Kurzem auf Reisen in den beiden Amerikas«, sagte sie, um die Atmosphäre zu entspannen. »Ich wollte meiner Stimme eine Pause gönnen, aber vielleicht könnte ich … als Zeichen der Freundschaft …«
Alex lachte leise. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, und dann trafen seine Augen ihre, warm und tanzend. »Zu Ende gegangen in San Francisco, richtig?«, fragte er. »Deine Reise, meine ich.«
Seine Vertraulichkeit brachte sie für einen Moment aus dem Gleichgewicht. Doch sie gewann ihr Lächeln zurück. »Aber nein«, sagte sie herzlich. »Das Glücksspiel und die Drinks haben deinen Verstand zerrüttet, du armer Mann. Roulette und Absinth«, vertraute sie Mr Barrington an. »Zwei schreckliche Plagen. Mr de Grey denkt an die Reise vor zwei Jahren zurück, als ich zur Königin von Barbary Coast gekürt worden bin. Aber in dieser Saison bin ich nicht weiter als bis nach Chicago gereist; Erdbeben sind nicht so ganz meine Sache.«
»Und eine kluge Frau noch dazu«, stellte Mr Barrington anerkennend fest. »Kommen Sie, ich würde sagen, Sie beide begleiten mich ins
Chat Noir
. Wir können sofort aufbrechen, und auf dem Weg dorthin gelingt es uns vielleicht, Miss Goodrick zu überreden, auf die Bühne zu gehen.«
Ehe sie entscheiden konnte, was sie antworten wollte, erklang ein klirrendes Geräusch hinter dem Wandschirm. Eine dunkelhaarige Frau trat dahinter hervor, die ihre nackten Arme vor der Brust verschränkt hielt – aber nicht so, dass Gwen nicht doch noch einen sehr genauen Blick auf das werfen konnte, was sich darunter verbarg: nacktes Fleisch.
Die Schlitze in ihrem transparenten Rock in Regenbogenfarben schienen dort aufzuhören, wo ihre Hüften begannen.
Grundgütiger Gott, dachte Gwen. Wenn es
das
war, weshalb die Leute in den Elefanten gingen, dann hatte sie noch eine Menge an Boden gutzumachen, bevor sie sich der Bedeutung des Wortes Wagemut auch nur ein wenig angenähert hätte.
»Soll ich tanzen?«, fragte die Frau mit einem Akzent, der ihr Französisch fast unverständlich machte. »Oder geht ihr woandershin? Andere warten nämlich schon.«
»Ach herrje, unsere demütigste Entschuldigung«, sagte Mr Barrington, griff in seinen Frack und zog eine Banknote hervor, die sich die Frau mit einem Schnauben schnappte, ehe sie sich hinter den Wandschirm zurückzog. »Gehen wir?«, fragte er dann. »Ich gestehe, ich werde vor Neugier sterben, wenn ich jetzt nicht bald Miss Goodricks Stimme höre.«
»So wie ich auch«, sagte Alex und zerstörte dann all ihre Erwartungen, indem er hinzufügte: »Aber ich denke, die Entscheidung liegt bei der Lady.«
Er sah sie mit einem leichten Lächeln an.
Nun, er glaubte nicht, dass sie singen konnte. Eher rechnete er damit, dass sie eine Entschuldigung vorbringen würde.
Sie erwiderte
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