Suche: Roman
sich klar über die Konkurrenz zwischen den beiden Polizisten, wusste aber nicht, was eigentlich dahintersteckte. Beide waren neu. Knut war im Vorjahr als Sommerverstärkung gekommen, und Erik Hanseid war ein paar Monate vor Weihnachten eingestellt worden. Sie waren beide gewissenhaft und erfüllten ihre polizeilichen Aufgaben korrekt. Hanseid zeigte Ambitionen, er war auf eine Beförderung bedacht. Während Knut seine Begeisterung für Spitzbergen mittlerweile verloren hatte. Er hatte Tom Andreassen anvertraut, dass er bereits bereute, sich um die Stelle beworben zu haben, und gern wieder aufs Festland zurück wollte, am liebsten nach Drevsjø, wo er herkam. Deshalb sollte es eigentlich keine Interessenskonflikte zwischen den beiden jungen Beamten geben, und es war schwer zu sagen, warum sie sich so gar nicht verstanden. Tom Andreassen tröstete sich mit der abgedroschenen Floskel, dass die Chemie nicht stimmte. Das passte fast immer.
»Soweit ich weiß, hat mir bisher noch niemand die Ehre entzogen, leitender Polizeichef zu sein, auch wenn es nur vorübergehend ist.« Er sagte das in einem lockeren, scherzenden Ton. Tom Andreassen, der Diplomat. »Ich denke, wir halten uns an die Routinen. Und nach denen werde ich die Suchaktion leiten.« Er trat an Anne Lise Isaksens Schreibtisch und nahm Knuts Notizen in die Hand. »Bis jetzt haben wir keine offizielle Anzeige. Aber es wird nach einer oder mehreren vermissten Personen gesucht.«
»Eine Suche«, sagte Knut. »Eine Regierungsbevollmächtigte, ein polizeilicher Leiter und zwei Beamte. Nicht gerade ausreichende Ressourcen.«
Die Regierungsbevollmächtigte seufzte schwer. »Ich sehe keine andere Möglichkeit, als dass wir beim Roten Kreuz und bei der Feuerwehr um Freiwillige anfragen. Einige der Eltern vom Kindergarten werden sicher auch bereit sein, bei der Suche zu helfen. Andererseits sollten wir vielleicht nicht zu viele in die Sache einbeziehen … Ich meine, wir können doch nicht sicher sein, oder? Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.«
Alle sechzehn Familien, die Kinder im Kindergarten Kullungen hatten, waren befragt worden, inwieweit sie Ella gesehen hatten, als sie ihr Kind dort abholten. Leider ohne Ergebnis. Keinem war sie aufgefallen. Was jedoch nichts bedeutete, wie sie alle versicherten. Es war nachmittags immer ziemlich hektisch.
Knut kam auf die Spuren im Tiefschnee vor dem Zaun um den Spielplatz zu sprechen. »Man darf vielleicht nicht ganz außer Acht lassen, dass die Spuren auch von einem Kind stammen können. Aber sie sehen eher aus wie die Spuren einer erwachsenen Person. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie ein Kind so hohen Schnee überwinden könnte. Er muss zum Weg hin gut und gern mehr als einen Meter tief sein.«
Erik Hanseid sah ihn an und sagte mit rollendem R und langsamer Stimme: »Nimm es nicht so schwer, dass du uns davon vorher nichts gesagt hast. Ein Kind wird nicht allein aus dem Kindergarten weglaufen. Und sich zumindest nicht durch so viel Schnee kämpfen. Immer vorausgesetzt, dass es sich nicht bedroht gefühlt hat.«
»Aber ich habe doch berichtet … Anne Lise?« Warum gab ihm Erik Hanseid immer wieder das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen? Und seit wann war der neue Kollege denn ein Experte darin, was Kinder dachten?
Hanseid beachtete Knuts Feindseligkeit gar nicht. Gut ausgerüstet mit der Selbstsicherheit eines eingeborenen Bergensers gefiel es ihm fast, wenn ihm widersprochen wurde. Außerdem übernahm er gern die Leitung. Und wenn Knut immer mal wieder wütend aufbrauste, weil er sich ungerecht behandelt fühlte, war es kein Problem, als sicherer, erfahrener Polizeibeamter aufzutreten.
Tom Andreassen verhinderte eine weitere sinnlose Diskussion. »Es gibt drei mögliche Gründe, warum Ella verschwunden sein kann. Sie kann von ihrem Vater abgeholt worden sein, sie kann von sich aus allein weggegangen sein, oder sie ist von einer unbekannten dritten Person abgeholt oder entführt worden. Wobei ich Letzteres für unwahrscheinlich halte. Aber es ist kalt draußen, und wir haben nur wenig Zeit. Das Wichtigste ist jetzt, herauszufinden, ob sie sich verlaufen haben kann oder irgendwo gestürzt ist und vielleicht tief in einer Schneewehe liegt.«
»Laut Mutter und Kindergartenleiterin ist sie warm angezogen. Diese Schneeanzüge der Kinder heute sind dick und mit Fleece gefüttert. Und sie hat eine Fellmütze auf, die unter dem Kinn zugebunden wird und auch das Gesicht gut schützt. Sowie dicke
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