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Stiel.
»Was zum Teufel …« Andreassen ging zum Sofa. Über der einen Lehne lag eine Wolldecke, die noch nicht lange hier in der Seilbahnzentrale gelegen haben konnte. Er nahm sie in die Hand. Die Decke war neu und anscheinend sauber. Ein leichter Parfümgeruch breitete sich im Raum aus. Er legte sie zurück. »Bei allen …Was geht denn hier vor sich?« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Na, das wird ja wohl nicht so schwer herauszufinden sein.«
Erik Hanseid stand an der Tür und musterte seinen Kollegen mit nervösem Blick. Nach einigen Sekunden drehte er sich um und schaute aus den Fenstern auf die dunklen Silhouetten der Drahtseilbahnkonstruktion vor dem Kontrollraum. Er sprach mit leiser Stimme. »Ich hatte gehofft, dass ich hier oben noch hätte aufräumen können, bevor jemand herkommt. Leider muss ich sagen, dass ich es bin, der …«
»Der was?« Andreassen sah ihn verständnislos an.
»Nun ja, du weißt … Ich war vor Weihnachten alleine hier oben. Meine Frau ist doch erst Ende Dezember gekommen. Und Line Bergerud ist ja wirklich süß. Eine richtige kleine Lady. Wir haben uns ab und zu getroffen, nun ja, anfangs zufällig. Aber dann ist es eben so gekommen. Du weißt schon, Tor ist nicht so ganz … nun ja, er schafft es nicht … ja, was soll ich sagen … er hat ihr nichts zu bieten …«
»Und so einen Scheiß glaubst du?« Tom Andreassen war wütend wie schon lange nicht mehr. Er blieb mit geballten Fäusten vor dem Couchtisch stehen. »Verdammt, er ist ein Kollege von dir. Wart ihr nicht im Winter zusammen am Sorgfjord? Und war er es nicht, der euch nach Hause geholt hat, nachdem ihr wegen schlechten Wetters habt notlanden müssen? Und dann vögelst du seine Frau hier in diesem verdreckten Verschlag?«
Erik Hanseid antwortete hastig, die Worte überschlugen sich: »Du kannst dir doch denken, dass wir uns weder bei mir noch bei ihr treffen konnten. Ich habe ja unten neben dem Büro mein Zimmer gehabt, und Line wohnt gleich neben dieser Tratschtante, die als Touristenführerin arbeitet … dieser Trulte Hansen. Und ein Hotelzimmer konnten wir uns ja auch nicht nehmen, oder? Und hier waren wir ziemlich sicher, nicht entdeckt zu werden. Ich meine, niemand klettert doch mitten im Winter hier herauf?« Tom Andreassen erwiderte nichts, also sprach Erik weiter. »Aber hör mal, wir müssen daraus doch keine große Sache machen, oder? Wir können doch einfach berichten, dass es hier keine Spuren von Steinar Olsen und seiner Tochter gab. Und dann werde ich heute Abend hier aufräumen. Und so braucht niemand etwas davon zu erfahren.« Erik Hanseid sah seinen Kollegen flehentlich an.
Tom Andreassen verzog sein Gesicht vor Verachtung. Er wollte gerade antworten, als sein Blick auf etwas fiel. Ein gelbliches kleines Ding, das hinter der halb offenen Tür lag. »Da irrst du dich«, sagte er langsam. »Du wirst hier im Raum nichts anfassen. Und so leid es mir für Tor Bergerud auch tut – ihr beide seid mir dabei scheißegal –, so wird das gesamte Büro der Regierungsbevollmächtigten und sicher der größte Teil von Longyearbyen erfahren, was hier vor sich gegangen ist.«
Mit großen Schritten ging er um den Couchtisch herum, schob Erik Hanseid zur Seite und schob die Tür auf, so dass er den Gegenstand zu fassen bekam. Es war ein kleiner gelber Teddy. Auf einem Merkzettel, der an einer Pfote befestigt war, stand etwas mit blauem Filzstift geschrieben. Er drehte sich um und hielt den Zettel unter die Lampe auf der Arbeitsplatte. »Ella«, las er laut vor.
KAPITEL 11
UNSICHTBAR
Freitag, 19. Januar, 16.30 Uhr
Anne Lise Isaksen saß in ihrem Büro und räumte alte Papiere auf, die schon lange weggeworfen sein sollten. Sie konnte hören, wie auf dem Flur Türen geöffnet und geschlossen wurden, die Leute beendeten ihre Aufgaben für diesen Tag und gingen nach Hause.
Der Büroleiter steckte seine glänzende Glatze durch die Türöffnung und fragte: »Na? Viel zu tun heute?«
Er war ein gewissenhafter, ordentlicher Mann. Aber keiner, mit dem man über Polizeidinge reden konnte. Die Regierungsbevollmächtigte lächelte und wedelte mit den Papieren, die sie in Händen hielt. »Ich muss unbedingt einiges hiervon wegschaffen. Bald sieht man den Schreibtisch unter all den Stapeln ja nicht mehr.«
»Ja, ja. Dann sage ich mal ›Mahlzeit‹.« Und damit verschwand er mit schnellen Schritten den Flur hinunter.
Mit der Zeit verklangen die Geräusche. In der Rezeption klingelte noch einige Male das
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