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Hanseid ein paar Stunden später nach Hause kam, hatte Frøydis die kaputten Eier aufgewischt, ein Teller mit Essen stand vor der Mikrowelle bereit, und sie selbst saß still und friedlich in einem Sessel am Wohnzimmerfenster. Er stöhnte über die Arbeitsbelastung, hätte sich das aber sparen können. Sie zeigte ein sonderbares Lächeln und erwiderte unerwartet scharf, dass er selbst daran schuld sei, schließlich sei er ein erwachsener Mann. Er zuckte zusammen, als er ihre Stimme hörte. Hatte sie einen Verdacht? Aber in der hintersten Ecke des Wohnzimmers, in der sie saß und über den Ort schaute, war es dunkel. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen.
Freitag, 26. Januar, 18.00 Uhr
Am Freitag darauf kam Erik Hanseid früh nach Hause und lud Frøydis zum Essen in dem schicken Restaurant im Huset ein. Sie zog sich hübsch an und dachte, neues Spiel, neues Glück. Doch als sie dort ankamen, erkannte sie, warum Erik auf diesem Lokal bestanden hatte. Es war Line Bergeruds Geburtstag. Sie wurde dreißig Jahre alt, und die Gesellschaft hinten im Restaurant war von all dem Sekt, den sie schon getrunken hatte, in lautstarker feuchtfröhlicher Stimmung. Erik musste natürlich hin, um zu gratulieren, und ließ Frøydis mitten im Raum zwischen den Tischen stehen.
Tor Bergerud saß mit dem Rücken zum Raum und sah sie nicht. Und auch als Erik an den Tisch trat, drehte er sich nicht um. Doch als er später aufstand, um zur Garderobe zu gehen und an dem kleinen Tisch neben dem Ausgang vorbeigehen musste, konnte er es nicht vermeiden, er musste sie begrüßen. »Hallo Frøydis. Lange nicht gesehen, viel zu lange …« Und er zwinkerte ihr zu, warf schelmisch und konspirativ den Kopf zur Seite. Als teilten sie ein Geheimnis miteinander. Sie hätte losheulen können, lächelte jedoch mit feuchtglänzenden Augen, machte sich klein und rief ihm dann doch nach: »Dann ruf mich doch an. Wäre nett, sich mal wiederzusehen. Sag nur Bescheid.«
An der Geburtstagstafel saß Line mit schmalen Augen und verfolgte das Geschehen. Und als Tor Bergerud zurückkam, nach Zigaretten und Alkohol stinkend, beugte sie sich über den Tisch zu ihm vor und warf das lange blonde Haar über den Rücken und legte ihm die Hände in den Nacken. Es wurde ein langer Abend. Frøydis saß oft allein da. Eriks Essen wurde kalt, aber sie ging nicht hin, um ihn zu holen. Sie trank fast die ganze Weinflasche allein leer. Nachdem das Dessert gegessen war, gab es nichts anderes zu tun, als sich auf den Heimweg zu machen. In der Garderobe war es eng. Alle wollten gleichzeitig gehen. Sie balancierte auf einem Bein und versuchte, den anderen Fuß in den Stiefel zu bugsieren. Tor Bergeruds Jacke hing hinter ihr, und als er plötzlich neben ihr stand, verlor sie das Gleichgewicht.
Er lachte. »Dass du dich nie auf den Beinen halten kannst …«
Line begriff sofort, dass etwas zwischen Frøydis Hanseid und ihrem Mann vor sich ging. Und zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde sie richtig wütend. Was dachte sich diese mausgraue, langweilige Tussi mit den feuchten Augen und dieser Miene, die nur schlecht ihre Gefühle verbarg, eigentlich? Line drehte sich um und warf ihrem Mann einen gefährlichen Blick zu. Er zuckte nur mit den Schultern und legte ihr einen Arm um die Taille.
Erik Hanseid drängte sich dazwischen und ließ alle Vorsicht fallen. »Wollt ihr noch wohin? Vielleicht können wir uns ja anschließen? Es ist ja noch viel zu früh, um ins Bett zu gehen …«
Hinter ihm erstarrte Frøydis und blieb regungslos stehen, einen Fuß auf dem kalten Boden, den anderen im Stiefel. Die Demütigung schnitt ihr die Kehle zu, sie schluckte und hatte das Gefühl, es wären Glasscherben in ihrem Hals.
Sie hielt es in dem Gedränge in der Garderobe nicht mehr aus. Sie musste raus und vergaß ganz, dass Erik derjenige war, der die Hausschlüssel hatte. Aber er kam ihr nicht hinterher. Er blieb in der Garderobe stehen und scherzte weiter mit Line Bergerud, die einen ganzen Kreis Männer um sich geschart hatte. Sie sah aus wie eine Flamme, umgeben von tanzenden Schatten. Frøydis mühte sich durch den Schnee zu einem Fenster und schaute von draußen hinein.
In die Stiefel war Schnee gedrungen, der jetzt unangenehm auf der Haut schmolz. Sie setzte sich auf die Steintreppe und zog sie aus. Bürstete die Schneereste von den dünnen Strümpfen. So blieb sie sitzen, direkt auf dem Eis, und schaute hinein. Sie hatte keine Gefühle mehr. Spürte nicht einmal die Kälte. Aber nach
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