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Titel: Suche: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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gekrochen und hatten den Schnee aus der geschützten Ecke weggeschaufelt, die sie sich hinter Schneescootern und Schlitten gebaut hatten. Lars Ove hatte inzwischen kein Gefühl mehr in den Fingern, er schob die Hände unter dem Schneeanzug in die Achselhöhlen. Kristian tat der eine Fuß wie verrückt weh, aber er traute sich nicht, den Scooterstiefel auszuziehen und Wärme in die Zehen zu massieren. Er hielt die Schmerzen auf Abstand, indem er lang und breit darüber räsonierte, ob Steinar wohl der Regierungsbevollmächtigten einen Tipp hinsichtlich dem Schmuggel und dem verabredeten Treffen im Sorgfjord gegeben hatte.
    »Das wird er doch wohl nicht gemacht haben?«, versuchte Lars Ove vorsichtig dagegenzuhalten. »Es ist doch auch in seinem Interesse, dass die Waren nach Tromsø kommen und dort verkauft werden, oder?«
    Doch Kristian schaute seinen Kumpel mit finsterem Blick an. »Wer denn sonst? Du wirst schon sehen, er war das. Vertraue niemals so einem beschissenen Chef, das sage ich dir, Lars Ove. Dieser Satan soll in der Hölle schmoren, und wenn ich selbst das Feuer anzünden muss!«
    Als sich das Wetter endlich beruhigte, humpelten die beiden Kameraden steif umher, koppelten die Schlitten wieder an und starteten die Schneescooter. Kristian fuhr bis an den Rand des Berghangs und schaute hinunter zur Forschungsstation, die im Mondschein unter ihnen lag.
    »Das Dach ist weggeweht worden«, rief er nach hinten zu Lars Ove. »Da unten ist kein Leben mehr.«
    »Sollen wir runterfahren und nachgucken?«
    »Ne, ne, die liegen bestimmt im Hubschrauber. Es lohnt sich nicht, sie zu wecken. Die kommen schon allein zurecht. Schlimmer steht es da um uns. Scheiße, ist das kalt.«
    Die Fahrt zurück nach Longyearbyen war die längste und kälteste, die die beiden je erlebt hatten. Aber am Abend, nach ihrem Eintreffen in der Stadt, wurden sie im Karlsberger wie Helden gefeiert. Kristian musste immer wieder seine schwarzgefrorenen Zehen vorzeigen.
    Wie alte Boxer nach Ende ihres letzten Kampfes kamen die drei Krabbenkutter aus der Hinlopenstraße herausgeschlingert. Die »Ishavstrål« fuhr voran. Ihr Bug hatte eine deutliche Beule oberhalb der Wasserlinie abbekommen. Backbord war die Schiffseite mittschiffs kräftig eingedrückt. Gleich dahinter kam eine ebenso zerkratzte und zerbeulte »Edgeøya« langsam angetuckert, die unbeleuchtete »Polarjenta« im Schlepptau. Aber das Eis war deutlich dünner geworden. Zwischen der Barentsee und dem Kong Karls Land gab es eine passable Fahrrinne, und bald würden sie dann auf offener See sein. In zwei, drei Tagen konnten sie in Tromsø am Kai anlegen, nach einem kleinen Zwischenstopp vorher an einem winzigen Anleger.
    »Das war das«, sagte der Skipper im Steuerhaus der »Polarjenta« und biss zufrieden ein Stück Kautabak ab, »erfordert schon den ganzen Mann, die Arktis. Jetzt haben wir uns aber einen ordentlichen Schluck verdient. Und Harald, der muss ja wohl was zu spendieren haben, wie ich mir denken kann.«

KAPITEL 19
IM BERG
    Sie zögern nicht draußen und warten nicht ab,
    denken an Gefahren nicht und nicht an den Tod.
    Sie gehen den üblichen Weg in die Tiefe hinab,
    mühen sich ab fürs tägliche Brot.
    Freitag, 23. Februar, 06.30 Uhr
    »Ich will nach Hause zu Mama. Wo ist Mama?« Ella war allein auf dem Sofa im Kontrollraum aufgewacht. Aber als sie die Tür zu der großen eiskalten Halle öffnete, lief Steinar sofort zu ihr.
    Er schob sie wieder ins Warme und suchte den Rest ihres Proviants und die Thermoskanne mit dem inzwischen lauwarmen Kakao hervor. »Natürlich gehen wir nach Hause zu Mama, wenn du es willst.« Er konnte ihren Augen ansehen, dass sie ihm nicht glaubte. »Aber wollten du und ich nicht einen Hüttenausflug machen? Uns amüsieren, nur wir beide?«
    »Aber das hier, das ist doch keine Hütte.«
    »Nein, aber ich wollte dir doch zeigen, wo die Weihnachtsgeschenke landen, wenn sie aus dem Berg kommen. Du weißt, von da, wo der Weihnachtsmann wohnt. Und dann bist du eingeschlafen. Und ich wollte dich nicht wecken.« Ella trank von ihrer Schokolade, schaute ihn an, sagte nichts.
    Mein Gott, dachte er. Was soll ich bloß machen? Die Gedanken kreisten in einem lautlosen Jammerton in seinem Kopf herum. Er würde zum Gespött der Stadt werden. Rausgeschmissen werden. Tone wollte ihn verlassen. Er würde Ella nie wiedersehen. Vielleicht kam er sogar ins Gefängnis? Mein Gott, mein Gott, mein … Wenn er nur ein wenig Schnaps hätte, um die Nerven zu beruhigen.

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