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Dach, wo sich ein paar Planken gelöst hatten und jetzt in den Windböen klapperten.
»Um ihre Heimfahrt beneide ich sie nicht.« Tor Bergerud schüttelte den Kopf. »Es würde mich nicht wundern, wenn wir einen Notruf von Spitzbergen Radio reinbekommen – entweder von verunglückten Scooterfahrern oder von einem Krabbenkutter in Seenot.«
Die »Ishavstrål« versuchte erst gar nicht, sich nach Norden hin durchzukämpfen. Strömung und Eisgang trieben sie so stark durch die Meeresenge Richtung Süden, dass dem Skipper nichts anderes übrig blieb, als Richtung Süden zu lenken. Zusammen mit dem Steuermann stand er über die Seekarte gebeugt und studierte gleichzeitig die Angaben des Lotsen. »Klippen und Untiefen«, las der Steuermann. »Unberechenbares Fahrwasser … ungenügende Kartierung. Ja, verflucht noch mal, Harald. Da haben sie um die Hauptstadt herum jeden Millimeter kartiert. Aber hier oben, da muss man auf sich allein gestellt mit den Naturkräften kämpfen, hier wird überhaupt nichts kartiert!« Er musste fast schreien, um den Wind, der um das Steuerhaus heulte, und das Eis, das an den Schiffsseiten entlangschrammte, zu übertönen.
Ein Matrose stand am Ruder. Er hatte die Augen zusammengekniffen und versuchte, draußen etwas zu erkennen, sah aber nichts als Schnee, der in Streifen durch die Lichter der Nebelscheinwerfer an Deck strich. Plötzlich bekam er zu seiner Verblüffung das Ruder mitten in den Bauch, die Zähne stießen gegen die oberste Ruderpinne. Der Trawler machte einen kräftigen Satz, fast, als wäre er gestoßen worden, und legte sich auf die Backbordseite. Die Maschine drehte im Leerlauf. Dann wurde es dunkel. »Harald!« Der Matrose rief ängstlich und klammerte sich ans Ruder. Der Boden hatte plötzlich eine Neigung bekommen wie ein steiler Abhang. Er versuchte, mit seinen Holzschuhen Halt zu finden, verlor dabei einen Schuh und blieb mit dem Knie am Ruderstamm hängen.
Harald, der Skipper, und sein Steuermann waren beide an die Wand gerutscht. Sie rappelten sich auf und krochen zur vorderen Wand des Steuerhauses, wo sie sich an einer Leiste unter den Fenstern vorn festhalten konnten. Die Tür zur Brücke öffnete sich und schlug im Wind. Bücher, Tassen und andere lose Dinge rutschten über den Boden und verschwanden nach draußen. »Das war dein Fernglas«, sagte der Steuermann, der das Chaos beobachtete. Aber der Kapitän hatte sich inzwischen hochgekämpft und starrte in die Dunkelheit vor dem Kutter. »Scheiße, ich fürchte, wir sind auf Grund gelaufen.«
Die Mannschaft der »Ishavstrål« bekam nach einer Weile einen Überblick über die Situation. Das Schiff war tatsächlich auf Grund gelaufen. »Aber es war eine weiche Landung«, bemerkte der immer optimistische Maschinist, der den Hilfsmotor in Gang bekommen hatte. »Das war bestimmt nur eine Sandbank. Was machen wir jetzt, Harald? Den Hauptmotor starten und versuchen freizukommen?« Aber es war nicht das erste Mal, dass der Skipper auf Grund festsaß. »Nein, wir warten auf das Hochwasser in ein paar Stunden. Und wir müssen alle Tanks leeren, die wir nicht mehr brauchen.« Er zwinkerte dem Maschinisten zu. Das war streng verboten. Aber wer würde sie im Zentrum dieses Weltuntergangs aus Eis und Schneetreiben sehen?
Einige Seemeilen weiter nördlich in der Meeresenge kämpfte die Mannschaft auf der »Edgeøya« darum, ihr Schiff vom Eisberg fernzuhalten. Da war keine Rede von genauem Navigieren, um die Passage zu finden. Die Eisschollen kollidierten mit dem Schiffsrumpf, wechselten in einem fort die Richtung und öffneten freie Fahrtrinnen, um sie im nächsten Moment wieder zu schließen. Die Eisschicht war vollkommen unberechenbar, und der Trawler brauchte alle Motorkraft, um dem gewaltigen Hünen hinter sich zu entkommen, der sich ruhig und majestätisch immer näher heranarbeitete, als wäre das Seeeis nichts als ein bisschen Staub auf der Meeresoberfläche.
Eisbänke donnerten gegen die Schiffsseiten. Große Eisschollen kratzten mit lautem Knirschen den Rumpf entlang. Immer wieder saßen sie fest und mussten rückwärts manövrieren. Der Matrose am Ruder schaute ängstlich zum Steuermann. «Sollten wir nicht mehr auf den Radar achten? Und wenn jetzt die Spanten eingeklemmt werden und ein Leck entsteht?« Aber der Steuermann wandte sich nur ab und schaute auf die Seekarte. Er hatte die gleiche Frage in der letzten halben Stunde schon mehrfach beantwortet. Sie hatten keine Zeit, Slalom zwischen den Eisschollen zu
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