suchen Gespenster
verlegen sitzt, hat bei einer Zeitschrift an einem Wettbewerb teilgenommen und für ihre Geschichte tatsächlich den zweiten Preis bekommen. Sie sollte es euch selber sagen, aber sie geniert sich. So habe ich gedacht, dieses Fest ist die beste Gelegenheit, es allen, auch Bärbels Eltern, zu verraten. Und Bärbels Geschichte bekommen wir heute auch noch zu hören. Hilda liest sie nachher vor. Aber erst spielt Marianne noch etwas. Als Erstes einen Tusch auf Bärbel.“
„Hoch soll sie leben ... dreimal hoch“, sangen alle mit und die blutrote Bärbel suchte vergeblich nach einem Mauseloch zum Verkriechen. Doch als sie sah, wie ihre Eltern sich freuten, strahlte sie auch.
Hella hatte mit Staunen gehört, dass Marianne spielen sollte. Das wird ein schönes Geklimper werden!, dachte sie. Denn es war ihr bis dahin gar nicht aufgefallen, wie oft Marianne vorm Klavier saß und übte. Und überhaupt – als ob es ihr je einfiele, auf die Musikkünste der Mädchen von Lindenhof zu achten! Das hatte sie wirklich nicht nötig!
Marianne begann zu spielen. Sie hatte ein einfaches, fröhliches Stück aus Mozarts Tanzbüchlein ausgewählt, das manche schon oft gehört und an dem ein paar sich sogar selber versucht hatten.
Aber wie Marianne es spielte! Ohne großen Aufwand, ganz einfach und natürlich, doch mit jener Leichtigkeit und Freude, die solch eine Melodie erweckte.
Hella war platt. Das hätte sie nicht erwartet. Und sie schämte sich. Wie hatte sie mit ihrem eigenen Können angegeben! Marianne hatte das sicherlich auch gehört und nichts dazu gesagt. Peinlich, sehr peinlich ... Hellas Wut auf die Lindenhofer wuchs. Irgendwie musste sie sich rächen! Nicht einfach mit einem harmlosen Geisterspiel – nein, sie sollten gründlich blamiert werden. Sie wollte etwas Besonderes ausbrüten.
Keiner von den Festteilnehmern ahnte etwas von Hellas finsteren Gedanken. Aber viele staunten über Mariannes schönes Spiel und klatschten heftig Beifall.
Dann warteten alle auf Bärbels Geschichte. Die Klassenkameradinnen sahen immer wieder auf ihre Mitschülerin, die so schüchtern zwischen ihnen saß. Sie wirkte genauso bescheiden und unbedeutend wie sonst – und doch hatte sie einen solchen Erfolg gehabt! Woher Bärbel überhaupt den Mut genommen hatte, sich an dem Preisausschreiben zu beteiligen, begriffen sie nicht.
„Seit wann weißt du von dem Preis?“, fragte die Klassensprecherin Uschi, als nach Mariannes Spiel riesige Eisportionen aufgetischt wurden.
„Seit ein paar Tagen“, antwortete Bärbel. Sie war gerade im Begriff ihren Eltern entgegenzugehen, die aufgestanden waren, um sie zu beglückwünschen.
„Das ist vielleicht eine freudige Überraschung!“, rief Frau Arnold schon von Weitem. „Jetzt begreife ich auch, warum wir die einzigen Eltern hier sind.“
„Du musst uns den Brief der Redaktion zeigen“, sagte ihr Vater. „Bärbel, ich bin richtig stolz auf dich.“ Herr Arnold war Redakteur an einer kleinen Tageszeitung. Dass seine Tochter diese Anerkennung gefunden hatte, freute ihn natürlich doppelt.
„Darf ich mit dem gewonnenen Geld tun, was ich will?“, fragte Bärbel.
„Selbstverständlich“, antworteten ihre Eltern.
„Toll, dann lade ich mal die ganze Klasse ein, wenn wir wieder in Lindenhof sind. Kann ich es den anderen nachher gleich sagen?“ Lachend stimmten die Eltern zu.
Frau Theobald verschaffte sich energisch Gehör. Das war gar nicht so einfach, weil alle Mädchen aufgeregt durcheinanderredeten. Es war schließlich keine Kleinigkeit, dass eine von ihnen eine Geschichte veröffentlicht hatte. Aber Frau Theobald klingelte mit ihrer großen Tischglocke so lange, bis alles still wurde. Dann erklärte sie: „Wahrscheinlich wollt ihr nun Bärbels Geschichte hören. Hilda wird sie euch vorlesen. Sie passt übrigens recht gut in dieses alte Gemäuer, wo es ja ab und zu spuken soll.“
Das sagte sie lachend und zwinkerte ein bisschen mit den Augen, sodass die Mädchen sich erstaunt ansahen. Hatte die Direktorin etwas gemerkt?
Doch zum Überlegen blieb wenig Zeit. Hilda stand auf, stellte sich mitten in den Burghof und las mit lauter Stimme Bärbels Geschichte vor.
Der Reiter ohne Kopf
Nicht weit weg von der Stadt war eine kleine Siedlung entstanden. Meist Wochenendhäuser, deren Besitzer nur an freien Tagen Türen und Fensterläden weit aufsperrten und im Sommer Liegestühle und Gartentische auf den Rasen schleppten. Aber es wohnten auch ein paar Leute dort, ältere Menschen, die
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