suchen Gespenster
Theobald am nächsten Morgen. Sie rief es Grete Kraus zu, die zufällig in der Nähe stand. „Bitte, hol sie sofort, auch wenn sie schon im Unterricht ist.“ Grete sauste los.
Bärbel Arnold ging in die fünfte Klasse, war also eine Klasse weiter als die Zwillinge. Eigentlich wusste niemand viel von ihr. Fragte man ihre Klassenkameradinnen, bekam man höchstens ein Achselzucken zur Antwort oder allenfalls: „Die spinnt!“ Eine Freundin hatte sie auch nicht. Sie stand mit den anderen keineswegs auf dem Kriegsfuß, aber sie sonderte sich ganz einfach ab. Meist ging sie auch allein spazieren. Sehr oft schrieb sie ... Waren es Briefe oder dichtete sie etwa? Das hatte bisher niemand erfahren. Aber es hatte im Grunde auch keinen interessiert. Niemand hatte sie danach gefragt.
Was mochte Frau Theobald wohl von ihr wollen? Als Grete Kraus in die Klasse hineinplatzte und Bärbel zur Direktorin schickte, sahen viele neugierig hinter dem Mädchen her. Mit einem Schlag wurde Bärbel interessant.
Sie selber wusste nicht, was die Direktorin von ihr wollte. Sie klopfte und sah erstaunt, dass der Briefträger im Zimmer stand.
„Bärbel, du musst unterschreiben. Hier ist ein Einschreibbrief für dich.“
„Für mich?“ Maßlos erstaunt ging Bärbel zum Schreibtisch. „Vom Markwart-Verlag? Den kenn ich nicht.“ Sie unterschrieb. Der Briefträger ging nach einem höflichen Gruß hinaus und Bärbel öffnete ihren Brief. Als sie ihn kurz überflogen hatte, ließ sie sich auf den nächsten Stuhl fallen und sah ratlos zur Direktorin hinüber.
„Was ist denn, Bärbel?“, fragte Frau Theobald erschrocken. Sie nahm den Brief, den Bärbel ihr stumm hinhielt.
Sehr geehrtes Fräulein Arnold!
Sie hatten am Wettbewerb unserer Zeitschrift ‚Der Natur auf der Spur’ mit der Kurzgeschichte ‚Der Reiter ohne Kopf’ teilgenommen. Dabei haben Sie den zweiten Preis gewonnen. Die Erzählung ist nicht nur vom Inhalt her lebendig und ansprechend, sondern auch humorvoll und farbig geschrieben. Unseren Glückwunsch!
Wir drucken Ihre Erzählung im nächsten Heft der Zeitschrift ab. Belege schicken wir Ihnen dann zu. Einen Scheck über die 100 Mark, die für den zweiten Preis angesetzt waren, erhalten Sie in der Anlage. Wir werden auch später gern Erzählungen von Ihnen übernehmen, falls sie uns geeignet erscheinen.
Es grüßt Sie herzlich
die Redaktion.
„Das ist doch toll.“ Die Schulleiterin faltete den Brief sorgfältig zusammen und schob ihn Bärbel in die Hand.
Dem Mädchen liefen plötzlich dicke Tränen übers Gesicht. Nanu?
„Es ist bloß die Freude“, stotterte Bärbel. „Was werden wohl meine Eltern dazu sagen?“
„Und die aus deiner Klasse“, ergänzte Frau Theobald. „Och, die finden mich sowieso doof und langweilig“, gestand Bärbel.
„Na, da müssen wir sie schleunigst vom Gegenteil überzeugen“, meinte Frau Theobald lachend. „Zeig ihnen doch den Brief. Den Scheck gibst du am besten mir zum Einlösen. Du hast ja kein Konto bei der Bank. Ich geb dir dann das Geld, ja?“
Bärbel nickte, meinte aber: „Wie ich es den anderen sagen soll, weiß ich nicht. Es sieht so grässlich nach Angabe aus.“
„Dann überlass es mir!“ Einen Augenblick überlegte die Direktorin, dann fuhr sie fort: „Verrate vorläufig auch deinen Eltern nichts. Ich habe einen Plan: Wir geben ein Fest.“
„Für mich?“, rief Bärbel erschrocken. „Bitte nicht.“
„Nicht für dich allein“, beruhigte Frau Theobald die ängstliche Bärbel. „Aber jedenfalls auch für dich. Pass auf! Wir veranstalteten doch jeden Sommer ein größeres Fest, manchmal auch nach den Ferien. Das geht in diesem Jahr nicht. Ich bin sicher, dass viele unsere Feier vermissen.
„Ja“, Bärbel nickte eifrig. „Sie haben oft davon gesprochen.“
„Na, siehst du! Nun werden wir dieses Mal nur ein kleines Fest veranstalten. Die Eltern einladen – das geht nicht. Wir wissen nicht, wo wir sie unterbringen können. Draußen ist es noch schön. In den nächsten Tagen bleibt es gewiss so. Wir können also im Freien sitzen, im Burghof. Vor allem werden wir ein bisschen spielen und ein paar gute Sachen essen. Aber wie wäre es mit Musik und einem kleinen Vortrag? Den Vortrag übernimmst du. Du liest einfach deine Geschichte vor.“
„Nie!“, protestierte Bärbel entsetzt. „Kein Wort bringe ich heraus. Ich fange todsicher an zu stottern.“
„Dann muss jemand anders lesen. Vielleicht Hilda aus der Vierten, die kann das sehr gut. Aber ich
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