Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs
entdeckt hatte. Ein Foto aus Bangkok. Man sah eine nagelneu strahlende Achtzylinder-Limousine, unterm Blitzlichthagel der Presse und von halbnackten Hostessen umtänzelt. Die Anbetung der heiligen Blechkuh. Dicke Autos, wir ahnten es längst, waren die Antwort auf den infernalischen Verkehr dieser Stadt. Wie offensichtlich.
Dennoch, ich ließ los, entkrampfte, die Momentaufnahme vom Leben auf dem Narrenschiff verging. Buddhas Reden von der Vergänglichkeit kamen mir zu Hilfe, eben die Aussicht, dass auch motorisierte Kühe irgendwann aussterben. Hoffentlich. Bevor die Kühe uns überleben und wir verwittern. Zuschanden gefahren von ihnen, vergast, hingerichtet vom Höllenlärm blecherner Rindviecher.
SCHAFSNASINNEN
UND SCHAFSNASEN
NACHRICHTEN AUS DER BIMBOWELT
Bevor ich loslege, soll ein Begriff geklärt werden. Um Missverständnissen zu entgehen. Das Wort »Bimbo« hat verschiedene Bedeutungen, je nach Sprache. In Amerika ist »a bimbo« eine Frau mit großen Brüsten und kleinem Hirn. Wir Deutsche benutzen das Wort, um einen Afrikaner zu schmähen. Einzig die Franzosen machen es richtig. Dort ist »le bimbo« der Trottel, der Strohkopf, und »la bimbo« das elend dumme Weib. Vollkommen unabhängig von Hautfarbe und Nationalität bekommen die Armen im Geiste jenes Wort verpasst, das sie verdienen. In diesem Sinne ist es im vorliegenden Text (wie im Rest des Buches) gemeint.
Nun der Anschlag auf jene, die sich vorgenommen haben, den weltweiten Intelligenz-Quotienten täglich zu senken. Ich lege sofort ein Geständnis ab und gebe zu, dass ich jeden Artikel über einen Bimbo lese. Wenn er in dem Magazin steht, das ich mir gekauft habe. Zu meiner (schwachen) Verteidigung könnte ich anführen, dass ich mir nur jene Printmedien besorge, die eher zurückhaltend aus dem Weltreich der Minderbemittelten berichten. Aber die Hirnlosen benehmen sich heutzutage wie Hochwasser und dringen in jede Ritze, in jede (Zeitungs-) Spalte.
Warum tue ich mir das an? Das Leiden an der Hirnlosigkeit anderer? Ich habe mich das oft gefragt und es plötzlich beim Lesen eines Interviews mit David Beckham gewusst (es ging um das Vorstellen von Armani-Unterhosen): Ich hechle über die Neuigkeiten aus dem Land der Einfältigen, weil ich von der Idee besessen bin, dass irgendwann doch ein Wort auftaucht, das eine Ahnung von Geist preisgibt und mir (und allen anderen Lesern) erklärt, warum hier jemand – ein so genannter Journalist – eine Seite vollmacht, vollmachen lässt, und sie uns hinterher verkauft. Okay, könnte man mitten in der Lektüre ausrufen, wenigstens ein kluger Gedanke zwischen dem pausenlosen Blabla. Wenigstens das. Aber nein, das Wort (um von einem vollständigen Satz nicht zu reden) kommt nicht, kommt nie. Man watet bis zur Gürtellinie versunken in Scheiße und kann am Ende der Folter – das klingt ziemlich pervers – nur Männer und Frauen bewundern, die es schaffen, das Leben ohne eine Mindestration Hirnschmalz hinter sich zu bringen. Man liest und ist anschließend leerer als zuvor. Eine höchst erfolgreiche Null hat geredet und uns mit einer Nullmeldung nach der anderen bombardiert. Kann man an Seichtheit ersaufen? Aber sicher.
Nun, der wahre Dummkopf bin ich. Warum blättere ich nicht weiter? Warum schneide ich mir D. B. und V. B. (Victoria Beckham) und Konsorten nicht als Klopapier aus? Warum? Das sind gemeine Fragen. Will ich – hundsgemein ehrlich und tief im Busen – sein wie sie? Tonnenschwer reich, megaberühmt und rastlos schwachköpfig? Weil die Schwachköpfe immerhin wissen, dass doof sein Glück bringt. Schon diese Erkenntnis wäre ein Grund, das Denken – »das traurig macht«, so George Steiner – aufzugeben.
Ich vermute, das sind eitle Überlegungen. Zudem ganz hilflos. Wie eine Hohlbirne nie voll werden will, so kann einer, der gern seine kognitiven Fähigkeiten trainiert, nicht plötzlich still stehen und seine obere Schädelhälfte lahm legen. Das ist sein Ding, auf vertrackte Weise macht ihn Denken froh, trotz aller Widersprüche. So froh wie den anderen seine Geistlosigkeit, die ihn im Leerlauf souverän durch die Welt manövriert. So ist der Stand der Dinge. Und keiner rüttelt daran. Man staunt nur wieder, wie geduldig Mutter Erde sich verausgabt. Sogar Heerscharen von Schafsnasinnen und Schafsnasen nährt sie, versorgt sie, lässt keinen von ihnen im Stich. Jammerschade.
EIN ALPTRAUM, SPÄTER EIN ZWEITER
Wer kennt nicht Paul Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein , seinen
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