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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Tatsächlich besaß er ein Dutzend andere Geräte, die dafür sorgten, dass er nie zu spät kam.
    Mit dem Auto waren es vierzig Minuten bis nach Palo Alto, dem Herzen des Valley, das von uns aus südlich lag. Dort trifft man auf Menschen, die zwei scheinbar unvereinbare Eigenschaften miteinander verbinden: Sie verstehen sich sowohl auf Mathematik als auch auf Marketing. Dieser teuflischen Mischung ist es zu verdanken, dass ihre Erfindungen mittlerweile in jedem Industrieland der Welt Hosentaschen, Autos, Privathäuser und Firmen erobert haben.

    Verglichen mit den Leuten von Silicon Valley waren die Raubritterkapitalisten des 19. Jahrhunderts die reinsten Waisenknaben. Sie waren vermögend, aber wenn sie eine neue Eisenbahn oder Fabrik bauen wollten, mussten sie investieren. Um Geld zu verdienen, mussten sie es erst ausgeben.
    Das ist im Silicon Valley anders. Die erfolgreichsten Unternehmen haben praktisch keine Herstellungskosten. Ist ein Computerprogramm einmal geschrieben, lässt es sich auf Knopfdruck reproduzieren. Eine wahre Gelddruckerei.
    Als wir auf den Highway fuhren, telefonierte ich bereits mit Leslie Fernandez, einer Neurologin, die ich vom Studium her kannte. Ich hoffte, dass sie mich mit Andys Arzt, diesem Murray Bard, bekannt machen konnte. Wenn man von Ärzten etwas will, lässt man sich am besten von einem anderen Arzt einführen.
    Ich hatte Glück, Leslie nahm sofort ab. Offenbar erinnerte sie sich noch gut daran, dass wir während des Medizinstudiums ein paar Nächte mit Doktorspielen verbracht hatten.
    »Nat … Das ist ja eine Ewigkeit her«, sagte sie. »Erste Frage: Ist alles in Ordnung? Zweite Frage: Kann ich dich zum Essen einladen?«
    Ich hatte vergessen, wie direkt sie sein konnte.
    »Mir geht es gut. Setzt du die Leute immer noch unter Strom, um sie zappeln zu lassen?«
    »Ach, Nat. Ich liebe es, wenn du ordinär wirst.«
    Selbst für Erin war der neckische Ton unüberhörbar.
    Leslie und ich tauschten uns über die letzten Neuigkeiten aus. Dann kam ich zum Thema und fragte sie,
ob sie Dr. Bard kenne und mich vorstellen könne – angeblich, weil ich gehört hatte, dass er sich mit der elektrischen Aktivität im Gehirn befasste. Leslie wusste, dass ich als Medizinjournalist arbeitete, und würde ihre eigenen Schlüsse ziehen.
    »Da hast du aber Glück. Ich kenne Murray gut.«
    »Äh … wie gut?«
    »Du hast vielleicht eine schmutzige Fantasie. Ruf ihn heute Nachmittag in seiner Praxis an«, erwiderte Leslie. »Klingt, als würden wir dieses Wochenende nicht gemeinsam auf Sauftour gehen. Dabei hatte ich mich schon so darauf gefreut, mit dir im Golden Gate Park den Schlafsack zu teilen.«
    »Ein anderes Mal.«
    Sie lachte. »Okay. Ich muss Schluss machen.«
    Ich lächelte Erin verlegen an. »Eine alte Flamme.«
    »Wie lange ist das schon her?«
    Die Frage war rein rhetorisch – ganz im Gegensatz zur nächsten.
    »Wer ist diese Frau, die Sie verloren haben?«

    Wir passierten die Ausfahrt Atherton, wo Annies Eltern lebten. Im Gegensatz zu den Orten der Umgebung bezeichnete sich das elegante Atherton nicht als Stadt, sondern als Gemeinde.
    Wenn Annies Vater und Stiefmutter wieder einmal unterwegs waren, durften wir ihre Villa hüten. Koch, Hausmädchen und der Mensch, der dafür sorgte, dass die Autos brav in der Garage standen, bekamen von uns grundsätzlich frei. Dann probierten wir aus, in wie vielen Zimmern wir uns küssen konnten. Dabei durften wir in jedem Raum nur ein einziges Kleidungsstück
ablegen und mussten mindestens zehn Minuten durchhalten. Eines Abends zog ich zum Spaß sechs Schichten Skibekleidung übereinander, die Annie mir schon im Eingangsflur vom Leib riss. Nachdem wir die ganze Nacht dort verbracht hatten, waren die Spielregeln ein für alle Mal vergessen.
    Einmal hatten wir das Haus für eine ganze Woche. Damit wir uns nicht langweilten, nahmen wir uns für jeden Abend etwas anderes vor. Wir gingen kegeln und besuchten ein Lenny-Kravitz-Konzert, scheiterten allerdings bereits am Mittwoch mit unserem Plan. Da uns nichts Besseres eingefallen war, nahmen wir an einer Sitzung des Stadtrats von Palo Alto teil. Während der Ausschuss für Stadtentwicklung einer Präsentation lauschte, kicherten wir in der letzten Reihe so laut, dass uns ein Beamter nach unserem Anliegen fragte. Ich stand auf und forderte engagiert einen nationalen Feiertag für Annie. Daraufhin wurden wir vor die Tür gesetzt.
    Im Park vor dem Rathaus fand ein abendliches Schachturnier statt. Die

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