Süchtig
ausgeschiedenen Teilnehmer spielten gegeneinander oder ließen sich gnädig auf eine Partie mit den Umstehenden ein. Annie und ich forderten einen Vierzehnjährigen mit Zahnspange heraus, der uns zweimal hintereinander in zehn Minuten schachmatt setzte.
»Unseren Sohn lassen wir nicht Schach spielen«, verkündete Annie, als wir das Feld räumten. »Zu gefährlich. Football und Heliski reichen völlig.«
»Unsere Söhne, meinst du wohl.«
»Reicht dir einer nicht?«
»Auf keinen Fall.«
»Und was ist mit Töchtern?«
»Zwei von jeder Sorte und einen Zwitter aus Mensch und Schildkröte.«
»Sie sind aber schweigsam.«
Erins Stimme.
»Sie denken an diese Frau.«
Bevor ich antworten konnte, klingelte mein Telefon. Es war Sergeant Danny Weller.
»Wie geht es Ihnen, Mr Idle?«, fragte er, wartete die Antwort aber gar nicht ab. »Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
»Selbstverständlich.«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ein roter Saab gefunden wurde.«
»Wo?«, fragte ich unbeabsichtigt brüsk.
»Das Auto wurde aus einer einsamen Bucht in der Nähe von Half Moon Bay gezogen.« Das war eine kleine Küstenstadt. »Ein Angelhaken hat sich im Stoßfänger verfangen.«
Mir verschlug es die Sprache. Weller lachte.
»Mit meinem Vater hatte ich nie so viel Anglerglück.«
»Hat man eine Leiche gefunden? Im Wagen, meine ich?«
»Nein.«
Erneutes Schweigen. Diesmal sprach ich zuerst. »In den Morgenzeitungen habe ich nichts davon gelesen.«
Den Chronicle hatte ich mir bereits vorgenommen, aber kaum etwas Neues über die Ermittlungen gefunden. Es wurde heftig spekuliert, denn die Polizei hielt
sich mit Äußerungen zurück. Entweder wussten die Journalisten deutlich weniger als ich, oder sie behielten es für sich.
»Das werden sie auch nicht«, erklärte Weller. »Die richtig interessanten Dinge behalten wir für uns.«
Und warum erzählte er mir das?
»Haben sich die Ermittler bei Ihnen gemeldet?«, fragte er.
»Nein.«
Er hustete und räusperte sich.
»Was ist mit Ihnen? Haben Sie etwas herausgefunden? Was ist mit dieser Kellnerin?«
Ich warf einen Seitenblick auf Erin.
»Sollen wir uns später treffen?«, fragte ich zurück. »Diese Bar vom letzten Mal hat mir gut gefallen. Schmuddelig, dunkel, und die Gläser sahen aus, als wären sie schon lange nicht mehr abgespült worden.«
»Um sechs«, erwiderte er. »Ich bringe Spülmittel mit.«
Als wir zum Stanford Technology Research Center kamen, war Mike außer Haus. Ich ließ den Laptop da und schrieb ihm eine Nachricht, in der ich ihn bat, sich den Rechner einmal anzusehen. Ganz ohne Zeitdruck.
Auf dem Rückweg schlug ich vor, am Haus von Simon Anderson vorbeizufahren. Vielleicht waren die Trauergäste noch dort, und wir konnten uns mit seiner Frau unterhalten. Erin schien keine Lust zu haben, ließ sich aber mit mehr oder weniger sanftem Druck überreden. Sie kannte die Adresse. Wir fuhren schweigend hin.
»Sie konnten Anderson nicht leiden«, stellte ich fest, als wir das Haus fast erreicht hatten.
»Er war ein Abenteurer, zumindest dachte er das. Er hielt sich für einen großen Verführer.«
»Obwohl er verheiratet war?«
Dann fiel mir ein, dass Andersons Bruder gesagt hatte, zuletzt sei es nicht immer einfach gewesen. Ich fragte Erin, was das heißen sollte.
Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht hatte er Ärger mit seiner Frau oder war krank. Gerüchte gibt es immer. Vergessen Sie die Sache, da ist nichts dran.« Dann wechselte sie das Thema. »Seine große Leidenschaft waren Zauberer.«
»Damit stand er wohl nicht allein.«
»Er schrieb an einem Fantasy-Buch für Jugendliche.«
»Wie Harry Potter?«
»Mit dem Vergleich konnte man ihn zur Weißglut treiben«, erklärte Erin. »Im Café amüsierten sich alle darüber. Manchmal brachten wir das Gespräch absichtlich darauf, um ihn zu ärgern … Die beiden waren gut befreundet«, sagte sie nachdenklich.
Ich konnte ihr nicht recht folgen. »Wer?«
»Andy und Simon. Andy hat auf Simons Kinder aufgepasst. Das war eine große Verantwortung. Simons Jüngster ist schwer gestört.« Nun war sie wieder bei der Sache. »Die Andersons haben ein wunderschönes Haus.«
Hatten.
Als wir um die Ecke bogen, stand das Haus des verstorbenen Möchtegern-Schriftstellers Simon Anderson in Flammen.
14
Trotz der bizarren Wiederholung der Ereignisse wirkte das Bild für einen Augenblick völlig harmlos. Wir erlebten das Geschehen sozusagen aus erster Hand mit. Das Haus musste gerade
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