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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Begabung für echte Beziehungen. Wenn Sie sich länger mit mir unterhalten wollen, rufen Sie mich einfach an. Vielleicht spielen wir im Olympic Club eine Runde Golf.«
    Das war ein Teil von Annies Welt, den ich absolut nicht vermisste. Und doch stellte ich wenige Wochen später selbst die Verbindung dazu her.

30
    Einen Monat nach diesem Vorfall rief ich Annies gute Freundin Sarah Tenner an.
    »Nat«, sagte sie. Es klang, als hätte sie meinen Namen noch nie gehört.
    Wir trafen uns in einer Bar. Ich kam einfach nicht über Annies Tod hinweg, konnte nicht loslassen. Der Gedanke an sie verfolgte mich ständig. Ich sagte Sarah, wie gut mir ihre Rede bei der Trauerfeier gefallen hatte. Damit war das Eis gebrochen, und wir tranken auf unsere verlorene Liebste und Freundin.
    »Annie war keineswegs vollkommen«, sagte Sarah, »und das weißt du auch.«
    »Manchmal war sie ein wenig schwierig«, gab ich zu.
    »Denk an ihre Fehler, wenn du über sie hinwegkommen willst. Sie war ehrgeizig, manipulierte gern und konnte sogar richtig gemein sein. Und ein bisschen durchgeknallt war sie auch.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Du bist krankhaft naiv.«
    Wir betranken uns mit Martinis und hingen unseren Erinnerungen nach. Sarah ermunterte mich, ein neues Leben anzufangen – angeblich hätte Annie das so gewollt.
Schließlich seien wir nur ein Jahr lang zusammen gewesen.
    »Ich habe Annie mein ganzes Leben lang gekannt. Sie war meine liebste Freundin, aber ich denke nicht daran, sie zu idealisieren. Das hat sie nicht verdient.«
    Das war der Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe. Sarah und Annies andere Freunde konnten weder mein Bild von Annie noch meine Gefühle für sie nachvollziehen. Die Intensität der Bindung zwischen zwei Verliebten können Außenstehende nur bewundern. An ihr teilzuhaben oder sie auch nur nachzuvollziehen, bleibt ihnen versagt.
    Obwohl ich mich ein wenig dafür schämte, jammerte ich Sarah vor, wie sehr ich Annie vermisste. Es war eine lange Liste kleiner Erlebnisse und großer Gefühle, eine sentimentale, weinerliche Liebeserklärung.
    Sarah sah mir in die Augen. »Ich weiß, dass du leidest. Das ist völlig normal. Aber Annie war nicht so romantisch, wie du glaubst. Sie hätte gewollt, dass du ein neues Leben anfängst. Das hat sie mir selbst gesagt. So etwas wie die Beziehung mit dir hatte sie noch nie erlebt. Sie fand dich einmalig. Was auch immer geschehen mochte, sie wollte, dass du glücklich wirst.«
    »Soll das heißen, sie hat mit einer Katastrophe gerechnet?«
    »Zumindest habe ich sie damals nicht so verstanden. Sie dachte eher daran, dass ihr euch trennen könntet. Du warst für sie etwas ganz Besonderes. Manche Gefühle sind stärker als das Schicksal einer Beziehung. Übrigens möchte ich dir gern jemanden vorstellen«, sagte sie dann.

    Ein Monat verging, bevor ich Sarahs Angebot annahm.
    Sie hieß Julie und war eine der wenigen Glücklichen, deren Äußeres genau dem aktuellen Schönheitsideal entsprach.
    Sie war knapp einen Meter achtzig groß und schlank. Ihre Brüste waren gerade groß genug, um Aufmerksamkeit zu erregen, ohne albern zu wirken. Ihr schulterlanges Haar war von einem Blond, das ihren Intellekt vergessen ließ. Hätte Hugh Hefner eine Ausgabe über das perfekte All American Girl geplant, wäre Julie das ideale Titelmodell gewesen.
    Julie hatte unter anderem dem Friedenskorps angehört, war vor dem Fall der Mauer mit einem Gesangsquartett in Osteuropa auf Tournee gegangen und hatte bei einer Quizshow für ihre Familie fünftausendzweihundert Dollar und eine Reise gewonnen, die sich als große Enttäuschung entpuppte.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte ich. »Sie waren in einem Motel 5 untergebracht?«
    »Motel 5?«
    »Das ist wie Motel 6, aber man muss seine eigenen Kakerlaken mitbringen.«
    Ihr Lächeln war bezaubernd, und sie lächelte, auch wenn es ihr Gegenüber nicht verdient hatte. So wie jetzt.
    Sie war eine gute Gesprächspartnerin, die meine Albernheiten ignorierte. Ich erzählte ihr, meine Passion sei Mitternachtsgolf mit phosphoreszierenden Bällen.
    »Das würde ich gern ausprobieren«, sagte sie nur. »Vielleicht nehmen Sie mich mal mit.«
    »Wie gut kannten Sie Annie?«

    »Leider gar nicht«, antwortete Julie. »Wirklich tragisch dieser Unfall. Kannten Sie sie gut?«
    Ich konnte nur hoffen, dass man mir den Schmerz in meiner Brust nicht ansah.

    Zwei Monate danach ging ich mit Rochelle, einer Klavierlehrerin, die zugleich als Pressesprecherin der

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