Süchtig
ich nicht, aber ich kann dir sagen, welche IP-Adresse die Firma verwendet.«
Er legte eine Pause ein.
»Willst du ein Ibuprofen?«
Erst jetzt merkte ich, dass ich mir den Nacken rieb.
»Danke, mir geht es gut«, sagte ich.
Er zuckte die Achseln.
»Rechner identifizieren sich im Internet durch eine nur einmal vergebene Nummernfolge. Diese Nummernfolge ist normalerweise einem Internet-Provider zuzuordnen.«
»Wie America Online.«
»Oder Bürgernetz Felton.«
»Felton«, sagte ich. »Das ist südlich von San José.«
Er nickte.
Felton.
Das schaffte ich, ohne auch nur zu tanken.
Ich bat Mike, mit niemandem über seine Entdeckung zu sprechen, wobei ich etwas von Recherche für eine Story murmelte. Dann griff ich mir den Laptop und ging. Vor dem Stanford Technology Research Center saß Erin auf meiner Motorhaube.
»Ich dachte, wir stehen auf derselben Seite«, sagte sie, kaum dass ich in Hörweite war.
»Das dachte ich auch«, murmelte ich.
Was sollte ich sagen? Was konnte ich sagen?
Sie hatte mir zumindest verschwiegen, dass sie als Brandstifterin verdächtigt worden war. Das war keine Kleinigkeit, wenn man berücksichtigte, wie viele Brände es plötzlich in unserem Leben zu geben schien. Vielleicht hatte sie diese Feuer tatsächlich gelegt.
»Mein Akku war leer«, sagte ich.
Meine E-Mail ist verlorengegangen, mein Akku war leer, ich habe deine Voicemail nicht bekommen – keine Ahnung, wie so was passieren kann!
Zumindest hat uns der rasante Fortschritt der Telekommunikation
im 21. Jahrhundert eine Fülle neuer Ausreden beschert. Erin sah mich an, als hätte ich ihr erzählt, der Hund habe meine Facharbeit gefressen.
»Bei jedem Anruf hat es fünf oder sechs Mal geklingelt.« Sie schwieg kurz. »Erspar mir deine Ausreden«, sagte sie in einem Ton, den ich von ihr noch nicht kannte.
»Ich wollte meinen Termin bei Mike nicht verpassen.«
»Und ich war halb verrückt vor Angst um dich.«
Ich sah sie prüfend an. Sie wirkte tatsächlich besorgt. Verriet ihr Gesicht sonst noch etwas?
»Ich habe mir gedacht, dass du hier bist«, sagte sie. »Außerdem wusste ich nicht, wo ich sonst hätte suchen sollen.«
»Du hast dir das gedacht?«
»Was ist denn mit dir los?«
»Was mit mir los ist? Ich will endlich wissen, was hier gespielt wird.«
Sie ballte die Fäuste, und ihre Augen funkelten.
»Wir stehen doch auf derselben Seite, oder?«
Sie starrte auf meinen Arm, unter dem ich Andys Laptop hielt. »Ich will auch wissen, was auf dem Rechner ist. Hat er das Tagebuch öffnen können? Lass mich sehen.«
Das Tagebuch. Natürlich. Ich hätte in Mikes Büro prüfen sollen, ob es etwas von Interesse enthielt – bevor Erin auftauchte. Ich legte den Computer in den Kofferraum. »Das sehen wir uns später an.«
Schweigen ist nicht gleich Schweigen. In diesem Fall fing es relativ harmlos an, aber während der vierzigminütigen
Fahrt nach Felton wurde es immer eisiger. Geradezu arktisch. Meinerseits war es keine echte Animosität, aber ich setzte auf Sicherheit. Wenn sich die Gelegenheit bot, wollte ich nachhaken, herausfinden, was ich von ihr zu halten hatte, ohne sie allzu sehr unter Druck zu setzen. Weller hatte mir geraten, mich möglichst normal zu verhalten, aber das brachte ich nicht fertig.
»Was ist los?«, fragte sie schließlich.
»Mein Kopf fühlt sich an wie eine Stahltrommel bei einem Bob-Marley-Konzert.«
Das Telefon klingelte. Battat und Bard. Die Praxis von Murray Bard, seines Zeichen Neurologe. Andys Arzt.
»Guten Tag, Dr. Bard.«
Dr. Bard gab ein paar höfliche Floskeln von sich, fragte mich, ob ich mit Dr. Fernandez studiert habe und immer noch in der Stadt sei. Ich bejahte beides. Technisch gesehen war das noch nicht einmal gelogen, wobei er sicherlich wissen wollte, wo ich meine Praxis hatte.
»Ich habe gleich den nächsten Patienten«, sagte Dr. Bard. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich rufe wegen Andy …«
Ich sah Erin an, die lautlos »Goldstein« soufflierte.
»… Andy Goldstein an.« Dann schaltete ich auf medizinischen Fachjargon um.
»Kopfschmerzen,Schlaflosigkeit,Stimmungsschwankungen. Kam wegen eines EEGs zu Ihnen.«
Ich konnte Dr. Bard geradezu nachdenken hören. Er hatte Hunderte von Patienten. Ohne Krankenakte existierten sie für ihn nur halb.
»Er ist vor etwa drei Wochen von der Golden Gate Bridge gesprungen.«
Nach einer kurzen Pause antwortete er. »Jetzt erinnere ich mich. Sehr schlank. Hyperaktiv. Das ist bei Methamphetamin-Abhängigen nichts
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