Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
Vom Netzwerk:
Hasch und verschreibungspflichtigen Medikamenten gesucht.
    Als ich mich umsah, beobachtete ich, wie Sanjiv das Foto von mir und Annie im Vergnügungspark von Santa Cruz aufhob, das zwischen den Trümmern auf dem Boden lag. Er betrachtete es eine Weile. Obwohl er sich offenbar unbeobachtet fühlte, wirkte er verlegen, als er das Bild nicht wieder an den Kühlschrank hängte, wo es hergekommen war, sondern in einer Küchenschublade verschwinden ließ. In der Schublade mit dem Tesafilm, dem Klebstoff, den Reißzwecken. Den Tic-Tacs und den Fotos verstorbener Freundinnen.
    Wahrscheinlich dachte er, ich solle aufhören, mir eine imaginäre Annie zu erschaffen. Vielleicht lag es an seiner liebevollen Art, auf jeden Fall ließ mich der Vorfall nicht unberührt. Das Foto blieb in der Schublade.

    Die Zeit verging wieder in normalem Tempo, nicht mehr im Rhythmus der Trauer, vielleicht sogar etwas schneller als zuvor. Nach zwei Jahren schien sich der Nebel zu lichten, der sich nach Annies Tod über mich gesenkt hatte.
    Ich fing an, ernsthaft zu schreiben, und verfasste eine Reihe von Artikeln. Auf ein Projekt war ich besonders stolz.
    In der Notaufnahme des San Francisco General Hospital war ein älterer, aber keineswegs gebrechlicher
Mann aufgetaucht, der eine schwarze Baseballkappe mit rotem Safeway-Logo trug und über Kopfschmerzen klagte. Als ihm der Arzt, ein Studienkollege von mir, die Kappe abnahm, fand er Maden, die in einem offenen Loch im Schädel herumkrochen. Tatsächlich hatten sie dem Mann das Leben gerettet.
    Offenbar war der Patient Monate zuvor in einen Autounfall verwickelt gewesen, bei dem er sich eine offene Schädelfraktur zugezogen hatte. Obwohl ein winziges Stück seines Frontallappens freigelegt war, hatte er kein Krankenhaus aufgesucht. Ob sein Alter, vorzeitige Demenz oder Unwissenheit der Grund dafür war, ließ sich nicht mehr klären. Auf jeden Fall ist es möglich, ohne intakte Frontallappen zu leben, wie die bekannten Fälle von Lobotomien beweisen, wobei allerdings mit Einbußen bei Emotionen und Urteilsvermögen zu rechnen ist. Vielleicht war er deswegen nie ins Krankenhaus gegangen.
    Allerdings hatte sich der Frontallappen infiziert, was ihn normalerweise das Leben gekostet hätte, hätten sich nicht Maden auf die Bakterien gestürzt und eine Ausbreitung der Infektion verhindert. Für die Ärzte vom San Francisco General ein faszinierendes Kuriosum. Sie mussten die Wunde reinigen, ohne dass sich die Bakterien festsetzten. Es gelang ihnen. Fortan lieferte die Geschichte Gesprächsstoff für Cocktailpartys.
    Ich interessierte mich mehr für einen anderen Gesichtspunkt des Vorfalls. Die Ehefrau des Patienten litt unter Demenz im Frühstadium. Nach dem Unfall hatte sie bei der Versicherung angerufen, die verpflichtet war, einen Sozialarbeiter zu schicken. Das geschah aber nicht, obwohl die Frau mehrfach nachfragte.
Schließlich vergaß sie die Sache aufgrund ihrer eigenen Demenzerkrankung.
    Das war kein Einzelfall. Tausenden älterer Kalifornier wurde die ihnen aufgrund ihres Versicherungsvertrags zustehende häusliche Pflege vorenthalten. Tatsächlich waren die Versicherungen verklagt worden, weil in den vergangenen zwei Jahren vier Patienten deswegen verstorben waren.
    Nach zweimonatiger Recherche verfasste ich einen Artikel für das California Medical Journal. Aufgrund meines Berichts wurde die Gesetzgebung verschärft.
    Ein Auftrag ergab sich aus dem anderen. Arbeit und Privatleben spielten sich in einem gewissen Rhythmus ein. Es gab weniger Auf und Ab. Das große Glück und die tiefe Depression, die ich früher gekannt hatte, waren vorbei. Vielleicht wurde ich erwachsen.
    Oder ich ließ mich einlullen.

31
    »Wo sitzen diese Strawberry Labs?«
    »Du wirst es nicht glauben, aber ich habe tatsächlich eine Vermutung«, erwiderte Mike. »Nat, diesmal geht es nicht um einen Artikel, oder?«
    »Ich muss sie finden.«
    »Ich war selbst neugierig. Im Internet werden sie nicht erwähnt.« Er tippte ein paar Befehle ein. »Aber ich habe mir die IP-Adresse genauer angesehen.«
    Offenbar enthielt die Signatur keine Angaben zu Person oder Standort des Programmierers, lieferte aber indirekte Hinweise auf seinen Aufenthaltsort.
    »Indirekte Hinweise? Was soll denn das sein, Mike?«
    »Bei jedem Aufruf von GNet musste zunächst das Verschlüsselungsprogramm aktiviert werden, und zwar über einen externen Server.«
    »Einen Computer, der bei Strawberry Labs steht«, sagte ich.
    »Wo die Büros sind, weiß

Weitere Kostenlose Bücher