Süchtig
Ungewöhnliches.«
Erin hatte mir nichts davon erzählt, dass Andy Drogen nahm.
»Das hat er Ihnen erzählt«, sagte ich vage, um ihm Gelegenheit zur Antwort zu geben.
»Dr. Idle?«, sagte Dr. Bard. »Weswegen war Mr Goldstein noch bei Ihnen in Behandlung?«
»Er war nicht bei mir in Behandlung. Wir waren befreundet.«
»Wenn Sie vorbeikommen wollen, kann ich mir seine Akte kommen lassen. Vereinbaren Sie mit der Rezeption einen Termin.«
»Moment, Dr. Bard. Ich brauche Ihre Meinung als Arzt.«
»Grüßen Sie Dr. Fernandez von mir.« Damit hängte er auf.
Erin hatte mich angespannt beobachtet.
»Was war mit Andy? Was haben sie mit ihm gemacht?«
Sie.
»Du hast mir nicht erzählt, dass Andy Drogen nahm.«
»Was?«
»War Andy drogensüchtig, Erin? Was verschweigst du mir?«
»Andy und Drogen? Niemals. Was für Drogen?«
»Methamphetamin. Aufputschmittel. Zeug, das einen nicht schlafen lässt, bis man von einer Brücke springt.«
Schweigen.
»Was wird hier gespielt, Erin?«
»Nat, Andy war … mein bester Freund. Ich wusste alles über ihn. Er war absolut sauber«, erwiderte sie mit erhobener Stimme. »Drogen waren nicht sein …«
»Sein was?«
»Sein Problem. Er war nicht süchtig, verstanden? Andy war ein guter, liebevoller, großzügiger Mensch.«
Sie lehnte sich zurück und drehte den Kopf zum Fenster.
Während der restlichen halben Stunde bis Felton sagte keiner von uns ein Wort. Das Städtchen war so malerisch, dass ich mir vorkam wie in den Disney Studios. Fehlten nur noch die Ladenbesitzer, die in ihrer Kaffeepause Laub rechten.
Ich fuhr zu der einzigen Tankstelle und fragte den einzigen Tankwart, einen Mann mittleren Alters, nach dem Weg zum – hoffentlich – einzigen Internet-Provider des Orts. Bürgernetz Felton. Nur ein paar Blocks entfernt, sagte der stämmige Tankwart.
Als ich vor dem Gebäude hielt, erteilte ich Erin einen Auftrag, für den ich mich schon im Voraus entschuldigte.
32
Erin sollte den Internet-Provider dazu bringen, ihr die Adresse von Strawberry Labs zu verraten.
Sie legte die Hand auf mein Knie und flötete: »Ich möchte Andys Tagebuch sehen.«
»Wir haben es eilig. Eins nach dem anderen.«
Sie nahm eine Flasche Mineralwasser vom Rücksitz. Dann fischte sie aus meinen Papieren einen ManilaUmschlag heraus, auf den sie »Strawberry Labs« schrieb. Damit stieg sie aus und betrat das Gebäude. Die Rezeption war mit einem Jungen besetzt, der aussah wie siebzehn. Direkt hinter der Tür stolperte Erin und schüttete sich Wasser aus der Flasche über ihr T-Shirt. Sie wirkte richtig überzeugend.
Während ich wartete, dachte ich an Heather Asternak, die ich sechs Monate zuvor kennengelernt hatte. Das war kurz nach meinem Artikel über Timothy Aravelo, und ich war auf der Suche nach einem unverfänglichen Thema. Heather, eine Dermatologin, kam mir wie gerufen.
Ich schrieb an einem Artikel über einen neuen Trend unter Medizinstudenten. Immer weniger interessierten sich für Brot-und-Butter-Jobs und wurden Allgemeinmediziner. Stattdessen verlegten sie sich
zunehmend auf lukrativere Fachgebiete wie die Dermatologie, die zudem den Vorteil einer geregelten Arbeitszeit besaß.
Heather war auffällig stark geschminkt, was völlig überflüssig war, denn sie war jung und schön. Als sie mir bei Pommes und Limo erzählte, warum sie sich für Dermatologie entschieden hatte, klang das wie ein Zitat aus einem Handbuch.
Ich stellte gerade genug Fragen, um das Gespräch in Gang zu bringen. Irgendwann sagte ich gar nichts mehr, sondern hörte nur noch zu. Sie erzählte mir, wo sie aufgewachsen war, warum sie sich für Medizin interessierte und dass ihr Hobby Kochen war. Wir bestellten eine zweite Runde Limo. Sie vertraute mir an, wie frustrierend sie misslungene Soufflés fand. Ich nickte verständnisvoll.
»Sie sind wohl eine leidenschaftliche Köchin?«, fragte ich.
Sie trank einen großen Schluck Limo und starrte in eine Ecke des Raumes. Offenbar wollte sie meinem Blick ausweichen.
»Ich habe keine Approbation«, sagte sie.
Einfach so. Ich hätte fast in meinen Strohhalm gebissen.
»Das habe ich noch nie jemandem erzählt.«
Genau genommen war Heather gar keine Ärztin, zumindest nicht für Behörden und Ärztekammer. Überhaupt hatte sie sich nur auf Dermatologie verlegt, weil sie nicht viel von ihren eigenen Fähigkeiten hielt und glaubte, so am wenigsten Schaden anrichten zu können.
Ich hatte keine Ahnung, was aus ihr geworden war.
Von mir hatte niemand etwas
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