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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Hilflosigkeit der vergangenen Tage schien in diesem einen Augenblick ihren Höhepunkt zu finden. Was war hier geschehen?
    Erin deutete nach draußen. Eine einzelne Flamme leckte an der Oberkante des Fensters. Unter meinen Fußsohlen schwelte die Hitze. Ich trat ans Fenster, sah aber nichts. Vielleicht war das Auto außer Sicht. Vielleicht war es entkommen.
    Brandstiftung.
    Erin.
    »Erin, hast du …«, sagte ich. »Hast du …?«
    »Was?«, fragte sie. Hatte sie mich nicht gehört oder verstand sie mich nicht? Oder tat sie nur so?
    Ich schüttelte den Kopf. Nein und nochmals Nein. Meine Gedanken waren wirr und vernebelt. Keine Zeit zum Überlegen. Keine Klarheit. Ich sah Erin an. Sie erwiderte meinen Blick und setzte sich in Bewegung. Obwohl sie rannte, sah es für mich aus wie in Zeitlupe.
    Sie raste die Treppe hinunter.

    Ich tat einen Schritt in ihre Richtung.
    Dann drehte ich mich um und warf einen letzten Blick auf das Labor. Konnte ich mir irgendetwas einprägen? Irgendeinen Hinweis? Irgendwas, das ich später bezeugen konnte?
    Ich ließ den Blick durch das Labor schweifen. Ratten, medizinische Geräte, Computer, alles verschwamm vor meinen Augen. Nichts stach heraus. Keine Spuren.

    Dann fiel mein Blick auf A11, die letzte lebende Ratte. Ich riss die Käfigtür auf. Das Tier trippelte heraus. Ich schubste es auf den Boden, wo es drei Schritte lief, stehen blieb, schnupperte, zur Treppe rannte, eine Stufe hinunterrutschte, sofort wieder hinaufkletterte und schließlich verzweifelt im Kreis lief. Jetzt erst fiel mir das verknitterte Stück Papier auf, das unter einer Ecke des Käfigs klemmte. Mit zwei Fingern griff ich danach. Es schien sich um technische Aufzeichnungen mit einer Mischung aus Text und Zahlen mit mehreren Kommastellen zu handeln. Darunter hatte jemand einen Namen gekritzelt, der mir bekannt vorkam: Vestige.
    Nachdenklich mahlte ich mit den Kiefern, bis ich eine durchdringende Wärme spürte. Unter meinen Fü ßen.
    Die Dielenbretter standen in Flammen. Das Holz glühte rot, aber das war nur der Vorbote dessen, was kommen würde.
    Ich stopfte den Zettel in meine Hosentasche.
    »Zeit zu verschwinden.«
    Ich ging einen Schritt in Richtung Treppe, aber auch dort züngelten schon die Flammen. Schwarzer Qualm quoll aus der Öffnung. Zu gefährlich.
    Das Fenster.
    Links von mir entdeckte ich über einem Tisch mit einem Computermonitor ein zweites Fenster in der Seitenwand des Hauses. Ich sprintete hin und sah nach draußen. Auch an der Seitenwand leckten die Flammen, aber von einer geschlossenen Feuerwand konnte keine Rede sein. Das Feuer kam aus der Garage oder vielleicht sogar aus dem Erdgeschoss.

    Ich schleuderte den Bildschirm durch die Scheibe. Kühle Luft drang herein. Ich kippte den Tisch um und stellte mich ans Fenster. Plötzlich erschütterte eine Explosion das Haus, und ich blickte in ein Feuermeer. Wenn ich springen würde, würde ich in einem Hexenkessel landen. Ich drehte mich nach der Treppe um. Aus dem Treppenaufgang quoll Rauch. Als ich dort angelangt war, schlugen mir die Flammen bereits entgegen.

    Erst jetzt wurde mir klar, wie aussichtslos meine Lage war. Ich konnte nur die ersten acht Stufen bis zum Treppenabsatz sehen. Das hieß, dass mich hinter der Ecke ein ungewisses Schicksal erwartete.
    Ich sah mir meine Umgebung noch einmal an. Plötzlich fiel mir wieder ein, was man schon im Erste-Hilfe-Kurs lernt. Ich zerrte an dem kleinen grünblauen Läufer, der unter dem umgekippten Tisch gelegen hatte, schleifte ihn zur Treppe und legte ihn mir um die Schultern.
    »Jetzt oder nie.«

    Dann tat ich den ersten Schritt. Sobald ich um die Ecke bog, musste ich eine Entscheidung treffen. Wenn das Feuer nicht allzu schlimm war, würde ich zur Haustür laufen, anderenfalls musste ich mich in den Läufer wickeln und die Treppe herunterrollen.
    Ich sprach ein Stoßgebet. Bitte lass mich leben, bis ich herausgefunden habe, was Annie zugestoßen ist.
    Den Wollläufer wie ein Cape hinter mir herziehend, stieg ich eine Stufe nach der anderen hinunter. Rauch hüllte mich ein. Direkt bevor ich den Treppenabsatz erreichte,
erschütterte eine Explosion das Haus. Ein Grollen, das tief aus seinem Inneren kam und einen Dominoeffekt auslöste. Die Hitze wurde unerträglich, und ein Feuerstrom schoss mir um die Ecke entgegen. Instinktiv ließ ich mich auf die Stufen fallen und rutschte auf dem Läufer abwärts.
    Ich stemmte den Fuß gegen die Wand, schlug wild mit den Armen und griff nach dem hölzernen

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