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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Treppengeländer. Es gelang mir, meine wilde Fahrt abzubremsen und schließlich ganz anzuhalten. Ich zog mich am Geländer hoch.
    Als ich um die Ecke bog, standen das Erdgeschoss und die Treppe direkt unter mir in Flammen.
    Acht Stufen trennten mich vom unteren Stockwerk.
    Ich legte mir den Läufer um den Körper, ließ mich nach hinten fallen und wickelte mich ganz ein. Wie eine menschliche Enchilada im Wollmantel rollte ich die Treppe hinunter.
    Vor mir zog ein Leben vorüber. Nicht mein eigenes, sondern das von Sonny Ellison. Für eine Nanosekunde dachte ich an den jungen Mann, der in die Notaufnahme eingeliefert worden war, als ich Student gewesen war. Er war in Sea Cliff mit seinem Civic fünfzehn Meter tief abgestürzt und auf die Felsen aufgeschlagen. Obwohl der Benzintank explodiert war, war Ellison mit dem Leben davongekommen. Ich hatte ihn nie vergessen. Es war erstaunlich, was der menschliche Körper ertragen konnte, wenn es ums Überleben ging. Dagegen waren die harten Treppenstufen, gegen die ich immer wieder prallte, gar nichts. Plötzlich hörte das Gepolter auf.
    Ich war unten, aber die Hitze war unerträglich.

    Als ich den Läufer von mir schleuderte, konnte ich nur hoffen, dass er die Flammen in meiner unmittelbaren Umgebung erstickte.
    Ich hatte Glück. Der Läufer öffnete sich zur Tür hin. Ein roter Teppich der ganz besonderen Art.
    Die Veranda war heiß, brannte aber noch nicht. Ich stolperte zwei Betonstufen hinunter und fiel auf den Kies vor dem Haus, das bald in Schutt und Asche liegen würde.
    Erin stand aschfahl im Gesicht und mit Ruß bedeckt neben dem Auto.

    »Was zum Teufel ist hier los, Erin?«
    »Gott sei Dank! Ich dachte schon, du verbrennst da drin.«
    Ich taumelte auf sie zu, wobei ich versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Ehrliche Sorge? Angst? Unverhohlene Manipulation?
    Ich packte sie an den Schultern.
    »Was soll das, Nat?«
    »Du wolltest mich umbringen!«
    »Du spinnst doch. Jetzt drehst du völlig durch.«
    Sie löste sich aus meinem Griff. Immer wieder beteuerte sie, sie habe tatsächlich einen roten Sportwagen wegfahren sehen.
    »Wir müssen los!«, sagte sie.
    Benommen stieg ich ins Auto. Das Haus gab schmatzende, knackende Geräusche von sich. Eine Hitzewelle hüllte uns ein. Plötzlich waren die hämmernden Kopfschmerzen wieder da. Erin nahm mir den Schlüssel aus der Hand und steckte ihn in die Zündung. Ich hinderte sie daran, den Motor anzulassen.

    »Was ist mit Annie passiert?«, fragte ich mit einem letzten Blick auf die Anlage. Das Haus in der Mitte brannte nun lichterloh.
    »Wovon redest du?«
    »Was ist Vestige?«
    Sie drehte den Schlüssel.
    »Wir gehen besser zur Polizei«, sagte ich.

    Während ich den Berg hinunterraste, prüfte ich immer wieder, ob mein Handy ein Netz hatte. Nichts. Von einem roten Sportwagen war auch nichts zu sehen. Kurz vor Felton kamen wir an eine Kreuzung. Fünfzehn Kilometer nach Santa Cruz, stand auf einem der Wegweiser. Die Vergangenheit mag vorbei sein, aber man kann ihr zumindest einen Besuch abstatten. Zeit für eine Reise in die Erinnerung.
    »Du magst Feuer«, sagte ich in eisigem Ton. »Siehst du es gern brennen?
    Das Labor mit den Ratten, das Café, ein Pornostudio, Simon Andersons Haus.
    »Wovon redest du?«, sagte Erin.
    »Fangen wir am Anfang an.«
    »Welchem Anfang?«
    »Warum konntest du Simon Anderson nicht leiden? Den wahren Grund, bitte«, sagte ich.
    Die ganze Zeit lang hatte es mich beschäftigt: der eisige Ton, in dem sie von ihm sprach, die Tatsache, dass sie weder bei seiner Beerdigung noch am Haus der Andersons ausgestiegen war, obwohl sie ihn doch gut gekannt hatte. Selbst wenn ihr Andersons Umgang mit Menschen nicht gefiel, passte das überhaupt nicht zu ihr.

    »Keine Ahnung, was du meinst.«
    »Sofort, Erin.«
    Ich bog nach Santa Cruz ab.
    Schweigen.
    »Woher wusstest du das?«, fragte sie schließlich.

34
    Erin zog die Knie an die Brust und starrte niedergeschlagen aus dem Fenster. Ihr Blick ging in weite Ferne.
    Ich war mir gar nicht sicher gewesen, dass sie log, aber Zweifel an ihrer Wahrheitsliebe hatten mich schon vor Wellers Warnung geplagt.
    »Du hast den Mann gehasst, und bestimmt nicht nur, weil er gern mit dem Personal geflirtet hat«, sagte ich.
    Erin drehte sich zu mir um.
    »Die Schlammbäder im Napa Valley passten genau zu seinem Charakter.«
    Napa. Das Zentrum des nordkalifornischen Weinanbaus, drei Stunden nördlich von unserem aktuellen Standort. Vielleicht fing Erin ihre

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