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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Aschenbecher vom Beistelltisch.
    »Wann war der Unfall?«, fragte ich. Brick zerquetschte die Kippe im Aschenbecher auf seinen Knien. Als er antworten wollte, kam ihm seine Frau zuvor.
    »Lang her, Herr Süden, lang her, fast zwölf Jahre. Da kümmert sich keiner mehr drum. Das ist verjährt. Ich hoffe, der Fahrer, der das getan hat, verreckt irgendwo.«
    »Dann haben Sie nach dem Unfall weiter als Wirt gearbeitet?«
    »Hab ich versucht«, sagte Brick.
    »Das ist auch gut gegangen am Anfang«, sagte seine Frau.
    »Ich hab einen Koch gehabt und eine Bedienung, und hauptsächlich den Wolfi, der hat den Laden geschmissen.«
    »Und ich war auch da«, sagte Annemarie Brick.
    »Du auch, logisch.«
    Ich sagte: »Haben Sie früher auch schon in dem Lokal gearbeitet?«
    »Selten«, sagte sie.
    »Ich hab meine Mutter pflegen müssen, die war krank. Zwischendrin ging’s ihr besser. Dann hab ich meinem Mann geholfen. Dann musst ich wieder zu Hause bleiben. Sie ist gestorben…«
    »Aber nach dem Unfall Ihres Mannes sind Sie im ›Bären‹ mit eingestiegen«, sagte ich.
    »Ich hab die Buchhaltung besorgt und die Einkäufe erledigt, den Schreibkram. Und die Abrechnungen kontrolliert. Aber der Wolfi ist immer korrekt gewesen, der hat die Situation nicht ausgenutzt.«
    »Und zu dieser Zeit ist Soraya bei Ihnen aufgetaucht«, sagte ich.
    »Weiß ich nicht mehr«, sagte Annemarie Brick.
    »Ich weiß wirklich nicht, ob ich die kenn.«
    »Ich kenn sie flüchtig«, sagte Brick. Dann senkte er den Kopf, und ich fragte mich sofort, was das bedeuten sollte. In der Pause, die er machte, warf ich seiner Frau einen schnellen Blick zu. Sie bemerkte es und lächelte angespannt. Hinter den Worten, die ich hörte, musste es andere Worte geben, die ich nicht hören sollte.
    »Sie ist hinten gesessen, bei der Garderobe, wo’s zu den Klos ging, da ist die gesessen.«
    »Mit wem?«, fragte ich schnell.
    »Mit ihren Bekannten. Die Wirtschaft war ziemlich groß, und es gibt Gäste, die wollen lieber für sich bleiben, die reden nicht viel, die merkt man sich auch nicht so.«
    »Aber die Soraya haben Sie sich gemerkt«, sagte ich.
    »Sag ich doch.«
    »Wir haben dann gemerkt, dass das nicht geht, wenn man…«, sagte Annemarie Brick. Es klang, als wollte sie das Thema wechseln.
    »Ein Wirt, der muss… der muss fit sein, hast du selber gesagt, Charly. Der muss beweglich sein, auch mal eingreifen, wenn was passiert… Hast du selber gesagt… Das ist ihm dann alles zu viel geworden, er hat gedacht, er kann alles so machen wie vorher, das schafft niemand… Wir haben dann gekündigt, die Brauerei hat uns ja auch nicht unterstützt… Das ist auch falsch, sie hat ihn wieder eingestellt, das stimmt, sie hätten ihn nicht nehmen müssen, aber sonst… Wir haben gedacht, vielleicht geben die uns ein paar Mark… Das hat dann keinen Zweck mehr gehabt, auch mit zwei Ruhetagen in der Woche nicht, das hat die Brauerei sowieso nicht gutgeheißen, zwei Ruhetage! Angeblich haben wir nicht mehr genug Bier verkauft, die haben geglaubt, das liegt an ihm, weil er die Gäste nicht mehr richtig animieren kann… Die waren froh, als wir weg waren. Und dann ist die schöne Wirtschaft vergammelt, ganz vergammelt. Wir sind mal vorbeigefahren, im Auto. Was haben wir da für Abende verbracht, waren schon gute Gäste da in Sendling, war schon eine schöne Zeit auch…« Zusammengesunken und mit geschlossenen Augen saß Brick in seinem Rollstuhl. Als ich aufstand, um mich zu verabschieden, schlug er für einen Moment die Augen auf. Ich hatte den Eindruck, er fragte sich, ob ich womöglich wiederkommen würde.

5
    A us einer vermissten Frau, die wir für verschollen gehalten hatten, war eine Person geworden, die durch den Tod eines Mannes in die Gegenwart zurückgekehrt war, auf eine Weise, die uns zu ratlosen Experten machte. Am Morgen nach dem Feiertag bestimmte der Fall Soraya Roos unsere erste Besprechung, die regelmäßig um elf Uhr stattfand. Zu der Zeit, als die Frau verschwand, leitete Volker Thon noch nicht die Vermisstenstelle. Er war damals fünfundzwanzig Jahre alt gewesen, und inzwischen der jüngste Abteilungsleiter im Dezernat 11. Manche Kollegen hielten ihn für arrogant und karrieregeil, ich mochte vor allem seine Kleidung nicht. Ansonsten war er einer der fähigsten Kriminalisten des Dezernats und jemand, der ein Team zu führen verstand, Gruppenklaustrophobikern wie mir zum Trotz. Für meine These, dass aus den meisten Einzelkindern Einzelerwachsene werden,

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