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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sagte ich. Sie schwieg.
    »Haben Sie schon mit der Bundesversicherungsanstalt gesprochen?«, fragte sie.
    »Ja. Steht das nicht in den Akten?« Sie klappte den Ordner zu.
    »Soraya hat keinen Antrag auf Rente gestellt«, sagte ich.
    »Wenn sie eine enge Beziehung zu ihren Eltern hatte«, sagte Sonja und stand auf, um sich frischen Tee aus der Kanne zu holen, die sie neben den Ausguss gestellt hatte, »und wenn sie nicht Opfer eines Verbrechens wurde, dann ist sie eine Langzeitvermisste und sonst nichts.«
    »Ja«, sagte ich.
    »So steht es in den Akten. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir sie als Verschollene bezeichnen. Und das hätten wir nach Ablauf der zehn Jahre am fünften Mai auch getan, auch gegenüber ihrem Vater. Wir hätten sie für tot erklärt.«
    »Was wir jetzt nicht mehr tun.«
    »Ich weiß noch nicht«, sagte ich.
    Das Telefon klingelte. Dr. Ekhorn war dran, der Pathologe.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    »Ihnen auch. Viel los?«
    »Nichts«, sagte ich.
    »Da haben Sie Glück. Ich hab drei Leichen reingekriegt, einen Mann, der erschossen wurde, eigentlich mehr hingerichtet, Ihre Kollegen sind noch etwas unschlüssig, was genau passiert ist. Dann einen, der betrunken aus dem fünften Stock seiner Wohnung gestürzt und dummerweise auf ein Stahlgerüst gekracht ist mit der Folge, dass er jetzt ungefähr so aussieht wie Arnold Schwarzenegger am Schluss von Terminator II. Und dann noch eine Frau, die unglückseligerweise auf einem Parkplatz ihrem Exfreund in die Arme gelaufen ist, ich erspar Ihnen die Beschreibung, wie sie jetzt aussieht. Gestorben ist sie übrigens an Herzschlag… Wenn sie vorher weniger Drogen genommen hätte… Auf alle Fälle hab ich mir zur Entspannung Ihren Mann aus der Bruchbude vorgenommen.«
    »Das ist nett«, sagte ich.
    »Was ich vermutet hab, der Mann ist verhungert, Herzgewicht unter zweihundert Gramm, massiver Schwund von Gewebe und Muskulatur. Tod durch eitrige Entzündung der Lunge. Er hat eine Haut wie Papier, sieht aus wie achtzig, aber ich schätz ihn auf Anfang bis Mitte sechzig. Hab auch ein paar Fliegenmaden entdeckt.«
    »Wie lang ist er tot?«, fragte ich.
    »Drei bis fünf Monate. Über den Winter hat sich die Leiche ganz ordentlich erhalten. Ich schreib morgen alles zusammen, ist das in Ordnung?«
    »Danke, Herr Doktor. Schönen Tag!«
    »Den werd ich haben, wenn ich mich hier so umseh«, sagte Silvester Ekhorn und legte auf. Drei bis fünf Monate. Ich war mir sicher, dass wir in diesem Zeitraum keine Vermissung bearbeitet hatten, bei der die Beschreibung auf den Toten passte. Trotzdem gab ich die neuen Informationen, so vage sie auch waren, ins INPOL-System und glich sie mit den vorhandenen Daten ab. Keine Übereinstimmungen. Der Mann aus der Bruchbude, wie Dr. Ekhorn ihn genannt hatte, war nicht als vermisst gemeldet worden. Anschließend las ich noch einmal jede Seite der Akte Soraya Roos, seit mindestens sechs Jahren hatte ich keinen Blick mehr hineingeworfen, wozu auch? Nirgends ein Hinweis auf einen Franz oder eine Person mit einem ähnlich klingenden Namen.
    Dann hatte Sonja eine verblüffende Idee.
    »Geben Sie den Namen der Frau noch mal bei INPOL ein, vielleicht sind neue Daten aufgetaucht, die Sie noch nicht abgerufen haben.«
    Diese nahe liegende Möglichkeit hatte ich völlig außer Acht gelassen. Doch ich wurde nicht fündig. Alles, was das System auflistete, stand im Leitzordner, aus dem ich am Ende meiner Lektüre ein Foto von Soraya herausnahm.
    »Was halten Sie von dem Fall?«, fragte ich. Sonja, die einen Abschlussbericht über die Vermissung eines alten Mannes schrieb, der aus einem Pflegeheim ausgebüchst war und sich auf die Suche nach einer Prostituierten gemacht hatte, bevor er zwei Tage später in der Nähe ihrer Wohnung vor Erschöpfung tot zusammengebrochen war, ging zum Fenster und kippte es. Kalte Luft und Straßenlärm drangen herein.
    »Sie sollten die Frau noch nicht für tot erklären«, sagte sie.
    »Mit welchem Argument?«
    »Intuition«, sagte sie.
    Sie tranken gerade Kaffee und aßen Obstkuchen, als ich hereinschneite. Annemarie Brick war derart überrascht, einen Polizisten zu Besuch zu haben, dass sie kein Wort herausbrachte. Unschlüssig stand sie in der Tür zum Wohnzimmer und deutete mehrmals auf ihren Mann, als könne man ihn in der kleinen Wohnung übersehen.
    »Entschuldigen Sie den Überfall«, sagte ich.
    »Ist schon recht«, sagte Brick und fuhr auf mich zu. Von meiner Kollegin Freya Epp, die ihn wegen des toten

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