Süden und das Geheimnis der Königin
richtig. Auch im Nachhinein, auch jetzt noch. Ihr habt aber ganz schön lang gebraucht, um den Fall aufzuklären, über zehn Jahre, zu einer Beförderung wird das eher nicht führen, oder?«
»Eher nicht«, sagte ich.
»Auch egal.«
»Kannst du dich an die Spedition erinnern, in der der Franz damals gearbeitet hat?«
»Die Spedition? Spinnst du? Denkst du, ich merk mir eine Spedition? Ich brauch keine Spedition.«
»Denk doch mal nach!«, sagte ich.
»Keine Ahnung.«
Also würde uns nichts übrig bleiben, als sämtliche Speditionsfirmen in der Stadt anzurufen und nach einem Franz Grosso zu fragen.
»Wart mal«, sagte Sturm.
»Irgendwas mit Sieler… , oder Stieler… , oder Sinner…«
»Danke«, sagte ich.
»Okay. Und was wird jetzt aus mir?«
»Jetzt gehst du nach Hause«, sagte ich.
»Und schreibst dein Gedicht. Und dann kommst du wieder her und unterschreibst das Protokoll.«
»Und der… und wegen der Sache mit dem Charly…«
»Darüber sprechen wir noch«, sagte ich.
»Wenn ihr die findet, die Soraya«, sagte er an der Tür, »dann möcht ich, dass ihr einen schönen Gruß von mir sagt. Okay?«
»Einen schönen Gruß und sonst nichts?«, fragte Martin.
»Ja, und dass… dass sie halt vielleicht… Dass das eine Superzeit war damals, und dass mir das Leid tut, wenn ich sie nachts angerufen hab und so…« Wir hatten es eilig. Seit einer halben Stunde warteten schon die nächsten Zeugen. Unser Eifer grenzte an Tobsucht.
Wir vernahmen das Ehepaar getrennt, Karl Brick als Ersten. Meine Kollegen hatten ihn in einem speziell für Rollstuhlfahrer ausgestatteten Kombi in der Zennerstraße abgeholt und in die Bayerstraße gebracht. In den Aufzug passte er mit dem Rollstuhl knapp hinein. Unsere Büros im Dezernat 11 hatten weder schalldicht isolierte Fenster noch – aus Platzmangel – einen funktionalen Vernehmungsraum, als einzige Ausweichmöglichkeit blieb, wenn alle übrigen Räume besetzt waren, das kleine Zimmer mit den niedrigen Fenstern im zweiten Stock.
Woher sollte Geld für einen behindertengerechten Ausbau kommen?
»Hätt ich nicht gedacht, dass Sie so beengt arbeiten müssen«, sagte Karl Brick, als er an dem Platz saß, an dem wir Ewald Sturm vernommen hatten. Ich goss Mineralwasser in ein frisches Glas und stellte den Kassettenrecorder an.
»Wieso darf meine Frau nicht dabei sein?«, fragte Brick.
»Vielleicht fällt es Ihnen leichter, ohne sie mit uns zu sprechen«, sagte ich.
»Warum denn?«
»Erinnern Sie sich an Soraya Roos?«
»Das haben Sie mich doch schon gefragt, ja, ich erinnere mich an sie. Ich würd gern rauchen, geht das?«
»Ja«, sagte ich.
Er zog eine Packung Marlboro aus der Tasche, und ich stellte den Aschenbecher vom Fensterbrett auf den Tisch. Martin schob Brick eine Schachtel Zündhölzer hin. Normalerweise erlaubten wir nicht, dass in dem engen Raum geraucht wurde. Aber in Bricks Fall würden wir schneller ans Ziel kommen, wenn wir ihn gewähren ließen.
»Wir wissen, dass Sie ein Verhältnis mit Soraya Roos hatten«, sagte ich.
Er sog den Rauch ein und ruckte mit dem Rollstuhl.
»Die Soraya…«
»Als wir bei Ihnen in der Wohnung waren, haben Sie so getan, als würden Sie sie nur flüchtig kennen«, sagte ich.
»Ich hab mit ihr kein Verhältnis gehabt.« Seine Augen waren blutunterlaufen, er sah müde und krank aus.
»Sie haben sie bedrängt«, sagte ich.
»Früher hätte man gesagt, Sie haben ihr nachgestellt.«
»Die Soraya…« Brick leckte sich die Lippen. Für einen Moment dachte ich, seine Zunge hätte einen gelben Rand.
»Was ist mit der Soraya?«, fragte Martin.
»Kann die junge Frau mal weghören?«, sagte Brick und beugte sich vor, so weit ihm das möglich war.
»Das wird schwierig«, sagte Freya Epp.
»Was ist denn?«, sagte Martin.
»Die Soraya«, Brick senkte die Stimme, »das war…« Er sah Freya an und dann mich.
»Das war eine… wenn die ins Lokal kam, konnten Sie ihre Geilheit riechen.« Keiner von uns dreien gab einen Kommentar ab. Brick war gezwungen, weiterzusprechen.
»Deswegen… ist die auch mit einem Italiener weg, ist typisch für die. Mit einem Italiener.«
»Kennen Sie seinen Namen?«, fragte ich.
»Nein, das hab ich Ihnen doch schon gesagt.« Er zündete sich eine weitere Zigarette an.
»Sie haben Soraya mit dem Messer bedroht«, sagte Martin.
»Blödsinn!«
»Wir haben eine Zeugen.«
»Das ist alles lang her, und die Frau ist weg, und ich bin ein Krüppel. Wollen Sie mich einsperren?«
»Wir wollen
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