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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sagte ich.
    »Solche Verehrer«, sagte Roos.
    »Der Kellner war ganz gelb vor Eifersucht, als ich ihn das letzte Mal sah…«
    »Grün«, sagte ich.
    »Wie bitte?«
    »Grün, er war grün vor Eifersucht.«
    »Haben Sie ihn auch gesehen? Sie haben Recht: Er war grün vor Eifersucht. Er brachte wieder einmal einen Brief, abends um zehn oder elf. Meine Tochter war nicht zu Hause. Wolfi.«
    »Und Franz Grosso? Haben Sie mit ihm auch gesprochen?«, fragte ich.
    »Am Telefon«, sagte Roos.
    »Er war verzweifelt. Mein Gott. Ich hör noch seine Stimme. Er hat seinen Job wegen Soraya hingeschmissen. Seine gute Festanstellung. Er arbeitete bei einer Spedition. Er wollte mit Soraya nach Italien. Nach Italien! Als wäre das ein Ziel, auf das Soraya gewartet hat!«
    »Warum nicht?«, sagte Martin.
    »Wir waren in Italien!« Roos machte einen Schritt auf ihn zu.
    Endlich gelang es mir, das Bild auf den Schrank zurückzustellen. Da fiel mein Blick auf ein anderes, das ich sofort in die Hand nehmen musste.
    »Wir waren jedes Jahr in Italien!«, sagte Roos.
    »Pisa, Rom, Venedig, den Stiefel rauf und runter. Ich habe jedes Jahr zwei Wochen zugesperrt.«
    »Sie haben gut verdient«, sagte Martin. Er hatte bemerkt, wie ich mich mit den Fotos beschäftigte, und versuchte, die Konzentration des alten Mannes ganz auf sich zu lenken.
    »Sehr gut verdient. Die Leute haben gern Verdunkelungen an ihren Fenstern. Sie lassen sich nicht gern reinschauen. Aber wir hatten auch viele Geschäftskunden, die benötigten Jalousien für ihre Büros. Sehr gut verdient haben wir.«
    »Ihre Frau arbeitete aber bei Siemens«, sagte Martin.
    »Sie wollte es so. Meine Tochter ja eine Zeit lang auch. Sie war Sekretärin im Chefbüro.«
    »Wir haben damals notiert«, sagte Martin und hob die Akte hoch, als ob er Roos hineinschauen lassen wollte, was er garantiert nicht vorhatte.
    »Ihre Tochter wechselte öfter den Job, sie war in mindestens sieben verschiedenen Firmen und Betrieben, innerhalb weniger Jahre. Warum?«
    »Sie fühlte sich nicht wohl«, sagte Roos. Er warf mir einen Blick zu.
    »Die Karriere war ihr nicht wichtig.«
    »Noch einmal zu Franz Grosso«, sagte Martin.
    »Er wollte mit Ihrer Tochter nach Italien gehen, er war selbst Italiener.«
    »Das vermute ich.«
    »Sie wissen es nicht.«
    »Nein.« Mit einigen umständlichen Bewegungen setzte er sich in den Sessel und röchelte, bevor er erneut das Taschentuch hervorzog und sich den Mund abtupfte.
    »Ihre Tochter wollte nicht mit nach Italien«, sagte Martin.
    »Nein.«
    »Aber dann ist sie doch verschwunden, mit einem anderen Italiener«, sagte Martin.
    »Deswegen haben wir sofort die Polizei eingeschaltet«, sagte Roos und ruckte hin und her, unruhig oder unfähig, die richtig Sitzhaltung zu finden.
    »Ja«, sagte Martin.
    »Nichts deutete darauf hin, dass Ihre Tochter eine Abreise geplant hatte.«
    »Er hat sie entführt und ermordet.«
    »Das haben Sie uns damals verschwiegen«, sagte Martin. Roos schwieg.
    »Warum?«, fragte Martin. Roos antwortete nicht.
    »Lieben Sie Ihre Tochter?«, fragte ich mit dem Bild in der Hand.
    Roos zögerte lange mit einer Antwort.
    »Ja«, sagte er schließlich.
    »Ja, ich liebe sie. Und ich vermisse sie.«
    »Ihre Frau hat nicht begonnen, Tabletten zu nehmen, weil ihre Tochter verschwunden war«, sagte ich. Roos zog die Augenbrauen hoch. Martin sah mich überrascht an.
    »Sie hat die Tabletten wegen Ihnen genommen«, sagte ich.
    »Ich bot ihr eine Scheidung an«, sagte Roos.
    »Aber sie wollte lieber leiden. Sie wollte immer lieber leiden. Die ganzen Jahre. Ich bot ihr mehrere Male die Scheidung an. Sie hat abgelehnt. Sie wollte lieber leiden. Soraya hat versucht, mit ihr zu reden. Sie wollte nichts hören. Sie wollte lieber leiden. Soraya hat es immer wieder versucht. Auf der einen Seite des Flurs war die Liebe, auf der anderen das Leiden. Wer hält das aus? Warum tut sich jemand das an? Die Tür stand offen.«
    Ross zeigte zur Wohnzimmertür, die offen stand.
    »Die Tür: offen. Der Weg: frei. Sie ging nicht. Sie schaute lieber zu. Sie schaute der Liebe zu und ihrem eigenen Leiden. Der Herzstillstand war eine Erlösung für sie, da bin ich sicher. Erlösung. Sie war eine gläubige Katholikin. Soraya auch. Ich bin’s ebenso. Eine Erlösung. Nach Jahrzehnten des Leidens. Und ich bete, dass Soraya niemals so leiden musste wie meine Frau. Darum bitte ich.« Er hustete und tupfte sich den Mund ab.
    »Und so allein bin ich fett geworden. Sehen Sie mich an!«
    Auf

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