Süden und das Geheimnis der Königin
der Polizei nicht.« Das war einer seiner Spezialsätze. In seiner Laufbahn, die ich lückenlos begleitete, hatte er diese Erklärung schon mindestens siebentausendmal abgegeben.
»Aber Sie verhören doch Leute, wenn die zum Beispiel einen Mord begangen haben«, sagte Frau Hefele abwesend.
»Wir vernehmen sie«, sagte Martin.
»Das klingt natürlich besser.« Ich hatte mich geirrt: Sie war nicht abwesend, sie war abweisend.
»In welche Bar gehen die Einheimischen gern?«, fragte ich.
»Zu Walter?«
»Einige gehen zu Walter.«
Aber nicht Signor Fadini, der ging in eine Bar ein paar Kilometer weiter südlich.
»Gefällt es Ihnen hier?«, fragte Frau Hefele und sah uns beide mit geschäftlicher Freundlichkeit an.
»Ja«, sagte ich.
»Ja«, sagte Martin.
»Das freut mich. Und es wäre mir lieb, wenn Sie unsere Gäschte nicht mit Fragen beläschtigen würden, die wollen hier ausspannen, Kultur kennen lernen, in Ruhe im Garten sitzen und essen und einen schönen Wein trinken. Bitte reschpektieren Sie das.«
»Selbstverständlich«, sagte ich.
»Das isch nett.«
Wir folgten unserer Intuition. Wir redeten uns ein, unserer Intuition zu folgen. Das Herumsitzen, Herumlaufen, Herumfragen zermürbte uns. In diesem Dorf lebten nicht einmal tausend Einwohner, und wir schafften es nicht, einen bestimmten von ihnen ausfindig zu machen, noch dazu einen, der als ehemaliger Architekt gewiss hohes Ansehen genossen hatte, fast jeder im Ort musste ihn kennen. Wie Fadini und Roderich Hefele. Aber auch die Bekanntschaft mit diesen beiden Männern brachte uns nicht voran, sie blockierte uns vielmehr. Also unterbreitete ich Martin meinen Plan. Da er keinen besseren hatte, machten wir aus auf den Weg. Sonja hatte uns erlaubt, wann immer wir es benötigten, ihr Auto zu benutzen, falls sie damit nicht gerade in die Hügel fahren wollte.
Wir parkten an der Straße, in der prallen Sonne. So hatten wir den besten Blick auf die Bar, in der wir mit Luigi Fadini gewesen waren. Es war nur ein Versuch und wir brauchten nichts zu tun als zu schauen. Wir hatten zwei Flaschen Mineralwasser mitgenommen, die wir zügig austranken, bevor das Wasser anfing zu kochen. Nichts passierte. Es war Nachmittag, gegen halb drei. Siesta. An der offenen Bartür hing ein Vorhang aus bunten Plastikstreifen. Ich musste an Emanuel Roos denken, der Verdunkelungen verkauft hatte, vermutlich zählten auch solche Lamellen dazu, selbst wenn sie nicht gerade viel Dunkelheit verbreiteten.
Niemand war unterwegs. Kein Auto kam an uns vorüber. Außer unserem Wagen standen noch zwei weitere auf den schrägen Parkplätzen. An der Ecke gegenüber der Bar war ein Fotoladen, in den niemand hineinging und aus dem niemand herauskam. Dieser Ort war noch kleiner als Tissano, er lag auf dem Weg nach Palmanova, wo Sonja Getränke und Süßigkeiten einkaufte und auf dem Marktplatz Eis aß, wie sie uns erzählt hatte. Wir sollten sie mal begleiten, sagte sie, und wir meinten, wir würden es uns überlegen.
»Wir haben jemanden vergessen«, sagte Martin, dem es sogar zu heiß zum Rauchen war. Allerdings war Rauchen in Sonjas Auto verboten.
»Wen?«
»Den Pfarrer.«
Das stimmte. Zwar hatten wir mehrmals versucht, in die Kirche zu gehen, aber die Tür war jedesmal abgesperrt. Das Pfarrhaus hatten wir nicht gefunden und dann den Priester wieder vergessen.
»Wir gehen heut Abend noch mal hin«, sagte ich. Martin streckte kurz den Kopf zum Fenster hinaus, was ich aufgegeben hatte, es war, als würde man den Kopf in einen Backofen stecken. Ich schloss die Fenster und schaltete die Klimaanlage ein, wissentlich zwecklos. Dann hielt ein alter schwarzer Fiat in der schmalen Straße neben der Bar. Ein Mann stieg aus, der gebückt ging und einen weißen Schlapphut trug, den er vor der Tür abnahm. Nur für drei Sekunden hatte ich sein Gesicht gesehen und ich hatte keinen Zweifel. Es war Severino Aroppa.
»Wo ist der hergekommen?«, fragte Martin.
»Von der Hauptstraße.«
Der Fiat war so unerwartet aufgetaucht, als wäre er aus der stehenden Hitze destilliert.
Eine halbe Stunde passierte nichts. Vereinzelt tauchten Passanten auf, ausschließlich Frauen mit Einkaufstaschen, die nah an den Häuserwänden gingen. Unser Plan war abzuwarten. Nichts zu überstürzen und vor allem keinen Druck mehr auszuüben. Die Kollegen in Udine hatten wir über unsere Dienstreise nicht informiert, früher oder später würden sie davon erfahren, und dann gingen vermutlich auch die letzten Jalousien an den
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