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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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etwas sagen?«
    Das blaue Kleid raschelte, und Emmi Bregenz bemühte sich gerade zu sitzen. Auf ihrer Stirn glänzten Schweißtropfen. Im Gegensatz zu ihren geröteten vollen Wangen wirkten ihre Augen nun klein und noch dunkler als sonst. Was die Figur betraf, hatten Mutter und Tochter keine Ähnlichkeit, allerdings fielen mir bestimmte Gemeinsamkeiten in der Art sich zu bewegen und den Kopf zu drehen auf. Unablässig beobachtete ich die beiden Frauen, fasziniert oder besessen von der Vorstellung, wie zwei Menschen – eigentlich drei, denn den Vater musste man dazuzählen – jahrzehntelang dieselbe Bühne teilten, ohne dass der eine die Maskerade der anderen beiden bemerkte. Immerhin hatte die Mutter offenbar eines Tages das wahre Gesicht des Vaters enthüllt. Oder hatte er es selbst getan? Und was war das wahre Gesicht des dürren Mannes auf der Couch, der, seit seine Frau und seine Tochter das Zimmer betreten hatten, kein Wort mehr gesprochen hatte? Und warum hatte Emmi Bregenz, falls die Enthüllung der Vaterschaft von ihr ausging, bei der Gelegenheit nicht auch die Geschichte ihrer verschollenen oder tot geglaubten Schwester erzählt? Und warum reagierte ihre Tochter so heftig darauf? Lore Vogelsang war fünfundvierzig, ihre Mutter hatte ihr eine Tante verschwiegen, die, wie sie behauptete, zum Zeitpunkt von Lores Geburt längst tot war. Natürlich gab es deshalb keinen Grund, sie im Familienkreis nie wieder mit einem Wort zu erwähnen. Aber warum echauffierte sich Lore Vogelsang als erwachsene Frau darüber? Log sie ihre Tochter nie an? Oder ihren Mann? Oder sich selbst? Hatte sie noch nicht begriffen, dass die Lüge die alltäglichste Tatwaffe der Welt war? Oder zwang das Bekenntnis ihrer Mutter sie dazu, diese Waffe plötzlich gegen sich selbst zu richten? Noch hatte sie sich weitgehend unter Kontrolle. Noch galt ihre Aufmerksamkeit ganz ihrer Mutter. Und nicht uns, den Polizisten.
    »Bitte sprechen Sie«, sagte ich.
    Beim ersten Wort von Emmi Bregenz schob ihr Mann seinen Körper auf der Couch ein Stück nach oben und wandte ihr das Gesicht zu. Und sie sah immer wieder zu ihm hin.
    »Das war dumm von mir«, sagte die alte Frau und presste die Fäuste auf die Knie. Auch wenn ihr das Geradesitzen in dem weichen Sessel schwer fiel, bemühte sie sich angestrengt um eine aufrechte Haltung. Mehrmals streckte sie zwischen den Sätzen den Rücken und legte einmal sogar den Kopf in den Nacken und zog die rechte und die linke Schulter hoch, wie um die Muskeln zu entspannen. Abgesehen von ihrem Mann beachtete sie niemanden, nicht einmal ihre Tochter. Der Gefangenschaft ihrer Geschichte entkam sie zwischendurch nur durch ihre ungelenken Dehnübungen.
    »Wieso hab ich bloß bei der Polizei angerufen? Du hast gesagt, ich solls lassen. Ich hab nicht auf dich gehört . Wäre langsam mal an der Zeit.«
    Weder sie noch Max Bregenz verzogen eine Miene .
    »Ich bin halt so erschrocken. Du doch auch! Wir haben die Zeitung aufgeschlagen, du hast sie aufgeschlagen, ist ja deine Zeitung. Er geht jeden Morgen rüber zu Lorenz.«
    Das sagte sie zu niemand Bestimmtem. Ihre Tochter ließ sie nicht aus den Augen, doch Emmi erwiderte den Blick nicht.
    »Das hat gedauert, bis wir uns den Namen merken können. Wir sind halt schon verkalkt irgendwie. Lorenz. Ist doch nicht so schwierig. Und dann bist du mit der Eselsbrücke angekommen: Lore wie unsere Tochter, und enz wie Bregenz. Hat funktioniert. Bei dir klappts noch besser da oben. Das macht der Knoblauch, der hält den Kalk ab . Ich vertrag keinen Knoblauch.«
    Auf der Couchlehne zuckten die Füße in den grauen Wollsocken. Ansonsten lag Max Bregenz reglos da, die eine Hand hinter dem Rücken, die andere auf dem Teppichboden. So erschöpft und müde er auch wirkte, von dem, was seine Frau sagte, schien er jede Silbe wahrzunehmen .
    Konzentriert zog er die Stirn in Falten und presste die Lippen aufeinander, und sein verzurrter Mund erinnerte mich an Lore Vogelsang. Ich sah zu ihr hinüber. Und sie machte tatsächlich das gleiche verkniffene Gesicht wie ihr Vater .
    Was verbarg sich hinter seinem Schweigen? Zumindest seine Tochter schien es zu wissen .
    »Ich hab mich dran gewöhnt«, sagte Emmi Bregenz. »Nur die Nachbarn noch nicht. Seit fünfzig Jahren beschweren sie sich über den penetranten Geruch. Das ist fast schon komisch. Er ist auch der Einzige im ganzen Lehel, der Knoblauch und Zwiebeln pur aufs Brot tut.«
    Nach einer Pause, in der sie mit dem Oberkörper rückte und den

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