Süden und das grüne Haar des Todes
ihrer Eltern im Münchner Stadtteil Lehel zur Welt gekommen, Babette Halmar dagegen in Hamburg. Deren Geburtsurkunde enthielt zwar außer dem Namen des Geburtsorts die Namen der Eltern – Luisa Magdalena Halmar, geborene Fünen, und Paul Ludwig Halmar, beide katholisch und wohnhaft in Hamburg –, ansonsten jedoch keine detaillierten Adressen. Meine Rückfragen bei den zuständigen Behörden in der Hansestadt blieben erfolglos, eine Familie Fünen tauchte in keinem Register auf.
Auf welchem Weg und aus welchem Grund Babette Halmar nach Ismaning gekommen war, blieb im Dunkeln .
Die Aussage der Bedienung Anita Muck, Babette habe ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit Tätigkeiten in fremden Haushalten verbracht, stimmte mit der von Mitarbeitern aus dem Rathaus und Verkäuferinnen verschiedener Läden, in denen die Frau regelmäßig ihre Lebensmittel besorgte oder von der Schülerin Verona besorgen ließ, überein. Und die Familien oder Nachkommen der Familien, bei denen sie gearbeitet hatte, wussten praktisch nichts über sie, nur, dass sie zuverlässig, pünktlich, verschwiegen und hilfsbereit bis zur Selbstaufopferung gewesen sei. Auf Fragen nach ihrem Privatleben habe sie immer freundlich, aber unbestimmt geantwortet.
Darüber hinaus wussten wir, dass sie sich ab und zu im Westend aufhielt. Doch warum? Inzwischen hatte ich mich über Tanja Vogelsang informiert. Das Mädchen sollte am Donnerstagnachmittag im Dezernat erscheinen, andernfalls, so erklärte ich ihrer Mutter, würde eine Polizeistreife sie in der Schule oder wo immer sie sich herumtrieb abholen. Möglicherweise war Tanja eine unserer wichtigsten Zeuginnen, und vielleicht hatte die alte Dame ihr etwas erzählt, was sonst niemand wusste .
Stundenlang saß ich an meinem Schreibtisch und sagte kein Wort. Vor mir lagen Seiten über Seiten abgetippter Protokolle. Und die Ausdrucke von Tanjas Übeltaten. Daneben das Fax aus dem Rathaus mit der Geburtsurkunde .
Ausgestellt an einem Februartag zwei Jahre nach Kriegsende. Zu diesem Zeitpunkt war Babette ein junges Mädchen, knapp sechzehn Jahre alt. Die Unterschrift des Standesbeamten »i. V.« war unleserlich, der Stempel »Standesamt Ismaning« gerade noch zu entziffern .
Ich schwieg vor mich hin.
Falls sich auch weiterhin keine Angehörigen meldeten, müssten wir ihr Haus durchsuchen, eine Maßnahme, die wir mit Gefahrenabwehr begründen konnten, sodass wir dafür keinen richterlichen Beschluss benötigten. Ohne einen Blick in die privaten Unterlagen der verschwundenen Frau zu werfen, würden wir uns weiter im Kreis drehen, in einem immer engeren Kreis, wie mir schien .
Zumal eine Befragung, deren Verlauf ich vorher anders eingeschätzt hatte, ins Nichts führte. Der Mann, den Max Bregenz als Schmarrn-Beni bezeichnete, ließ seiner Frau ausrichten, er könne nicht mit uns sprechen, weil er grausame Schmerzen in der Brust habe, keine Luft bekomme und halb bewusstlos von den schweren Medikamenten sei.
»Nur zehn Minuten«, bat ich.
Seine Frau öffnete die Tür des Schlafzimmers erst gar nicht, obwohl Sonja und ich bereits davor gestanden hatten.
»Wir kennen die Frau doch gar nicht«, sagte Maria Seberg in der Küche, in der es säuerlich roch .
Ob ihr Mann mittlerweile gesagt habe, wo er sich in der Nacht vom vierundzwanzigsten auf den fünfundzwanzigsten März aufgehalten habe?
»Er spricht nicht darüber«, sagte Maria Seberg, die eine bunte Kittelschürze trug, gerade so, als verweigere sie sich bis in die Kleidung hinein der Trübsal, die wie ein Schleier die lichtwelke Wohnung am Lilienberg im Stadtteil Au durchzog .
Ob sie eine Vermutung habe?
»Hauptsach, er ist zurückgekommen«, sagte sie .
Sie hatte uns Tee angeboten, aber wir hatten abgelehnt .
Ob sie wirklich sicher sei, die in der Zeitung abgebildete Frau noch nie gesehen zu haben?
»Ja.«
Aber sie habe am Telefon erklärt, die Familie Bregenz zu kennen .
»Nein«, sagte sie. »Ich hab gesagt, wir haben früher die Emmi gekannt, mein Mann, als Bub. Wir haben überhaupt keinen Kontakt zu ihr, seit Jahrzehnten nicht mehr, seit nach dem Krieg nicht mehr, das haben Sie ganz missverstanden.«
»Entschuldigung«, sagte ich.
»Würden Sie uns verraten, warum Ihr Mann als Kind Schmarrn-Beni genannt wurde?«, sagte Sonja Feyerabend, die weder ihre lederne Schirmmütze abgenommen noch ihren Mantel aufgeknöpft hatte .
»Den Ausdruck hab ich noch nie gehört, da müssen Sie sich täuschen. Heißen Sie wirklich Feierabend, wie der
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