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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Erkältung krankschreiben ließ, zog Volker Thon Sonja von den Ermittlungen im Fall der Rumänen ab und teilte sie offiziell mir zu, nachdem die Begegnung mit dem Ehepaar Bregenz sie sowieso nicht mehr zur Ruhe kommen ließ .
    Wie bei jeder Fahndung – auch in den vier Jahren, die ich in der Mordkommission gearbeitet hatte, hatten wir uns streng daran gehalten – bewegten wir uns von außen nach innen, von den offensichtlichen Daten und Fakten hin zu den verborgenen, durch die Schale zum Kern, vom gesprochenen Wort zum verschwiegenen, von den Umständen zu den Beweggründen, vom Allerlei zum Besonderen. Und wir vermieden es, Hintergründe in ihre Einzelheiten zu zerlegen, bevor wir nicht vollkommene Klarheit über die Vordergründe besaßen .
    Letztlich, das war meine Erfahrung nach einem Vierteljahrhundert Dienst bei der Kriminalpolizei, bestand unsere Arbeit zu einem Großteil aus Logik und zu einem viel kleineren Teil, als man gemeinhin annehmen würde, aus Fachwissen. Und was uns der gesunde Menschenverstand nicht lehrte, das fanden wir auch nicht in Büchern und gesetzlichen Vorschriften. Allerdings bereitete uns das bloße Erkennen des Offensichtlichen oft Mühe, je mehr überprüfbares Material wir auch zusammenstellten, das Bild blieb verschwommen, die Wahrheit ein Phänomen. In solchen Fällen neigten manche meiner Kollegen zu Aktionen der Ungeduld, etwa dem wiederholten Befragen von Zeugen oder indem sie verstärkt die Presse um Mithilfe baten oder alle bisherigen Ergebnisse in Frage oder auf den Kopf stellten .
    Ich neigte in solchen Fällen zur Langsamkeit. Allerdings auf eine Art, die gelegentlich sogar Paul Weber, der Großmeister der Bedächtigkeit, für eine raffiniert getarnte Variante von Tatenlosigkeit hielt. Natürlich sah ich ihm – und nur ihm und Martin Heuer – diese gemeine Einschätzung nach. Am Ende nämlich öffnete mir mein rastloses Zögern den Blick auf einen unauffälligen Stein, den ich die ganze Zeit übersehen hatte und unter dem der Schlüssel zur endgültigen Tür verborgen lag .
    Oft war es so, sehr oft.
    Manchmal aber bemerkte ich den Stein und begriff trotzdem nichts. Oder ich nahm den Schlüssel und wunderte mich, warum er nicht passte. Oder er passte und ich öffnete die Tür und stand vor einem Spiegel, aus dem mich ein lächerlicher Mann ansah, ein vor Stolz auf seine Methoden tänzelnder Kommissarsbär, der in Sekundenbruchteilen auf die Maße eines durchschnittlichen Trottels schrumpfte und seinen gesunden Menschenverstand in einem Fingerhut spazieren trug. Merkwürdig, dass mich solches Scheitern, solange ich im Dezernat 11 tätig war, nie vor dem nächsten bewahrt hatte.
    Mit der Frage, ob für Babette Halmar eine Gefahr für Leib und Leben bestand, hielten wir uns nicht mehr auf. Wir hatten keine Beweise dafür und keine dagegen, alles, was uns berechtigte, die Fahndung fortzusetzen, war die Tatsache, dass die dreiundsiebzigjährige Rentnerin nicht auftauchte und nach der Veröffentlichung ihres Fotos auch weiterhin keine konkreten Hinweise auf ihren Aufenthaltsort bei uns eingingen, ebenso wenig nach mehreren Rundfunkdurchsagen und dem Versand von Fernschreiben an die Polizeiinspektionen im Münchner Umland.
    Bei der Abgleichung der Daten mit denen von unbekannten Toten im BKA-Computer waren keine Übereinstimmungen aufgetaucht. Immerhin konnten wir mittlerweile die Vermisstenmeldung erweitern und konkretisieren, was Zeitpunkt und Ort der Abgängigkeit sowie die Beschreibung der Frau und ihrer mitgeführten Gegenstände betraf. Um eine spezifische KP-16-Meldung für das Landeskriminalamt zu erstellen, benötigten wir zusätzliche körperliche Merkmale wie Narben oder Anomalien, ein Zahnschema und nach Möglichkeit daktyloskopische Spuren – Informationen für den Fall, dass wir die Fahndung ins Ausland ausweiten mussten .
    Nach den Angaben aus dem Einwohnermeldeamt und dem Ismaninger Rathaus lebte Babette Halmar seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Münchner Vorort und seit dreißig Jahren in dem grünen Haus Am Englischen Garten 1. Davor hatte sie eine kleine Wohnung in der Dorfstraße. Sie hatte nie geheiratet und keine Kinder.
    Der Kopie der Geburtsurkunde, die uns eine Angestellt des Standesamtes zufaxte, entnahmen wir, wann und wo Frau Halmar geboren worden war .
    Die Daten stimmten mit denen der Schwester von Emmi Bregenz, die diese uns genannt hatte, in keiner Weise überein. Demnach waren Emmi und Ruth Anfang der Dreißigerjahre in der Wohnung

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