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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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einstellen.
    »Der Mann in meiner Wohnung«, sagte sie. »Er hat einfach da geschlafen?«
    »Und er hat deinen Wein getrunken.«
    »Ich darf nie wieder meinen Schlüssel herleihen.«
    »Ich hab ihn eingesperrt, er wird einen Haufen Ärger bekommen, wenn er den Schlüsseldienst anruft und beweisen muss, wie er sich ohne Schlüssel selbst eingesperrt hat.«
    Ilka kicherte unbeholfen. »Ich ruf gleich mal meine Schwester an.« Sie griff nach dem silbernen Handy am Tischrand.
    »Das kannst du morgen früh machen«, sagte Zeisig. »Ich möchte dir noch was erzählen. Ich hab einen alten Freund von dir besucht, du errätst nie, wen ich meine.«
    »Wen denn? Ich hab keine alten Freunde mehr, ich hab überhaupt keine Freunde, nur meine Gäste und den Dieda und seine Frau.«
    Den alten Freund aus der Grundschule zu besuchen war ein Gedanke ins Blaue hinein gewesen. Zwei Familien, die den Geburtstag ihrer Kinder feierten, hatten ihn engagiert, und bei der Suche nach der Adresse im Stadtplan fiel ihm die Akeleistraße ein.
    Eine Eingebung. Vielleicht kam er darauf, weil es erst vier Tage her gewesen war, dass Ilka Senner ihn gebeten hatte, er möge sie verschwinden lassen, denn das sei lebenswichtig.
    Manchmal lag ein magisches Vibrieren in der Luft, nicht nur bei seinen Auftritten, sondern im Leben allgemein. Und anders als in seinen bescheidenen Shows, in denen das Vibrieren handgemacht und nur bedingt magisch zu nennen war, erzielten die kosmischen Tricks des Schicksals eine verstörende Wirkung, deren wahre Bedeutung man erst allmählich begriff.
    Vom Harlachinger Griechenplatz bis zur Akeleistraße beim Mangfallplatz waren es mit dem Auto nur ein paar Minuten. Derweil saß Ilka bei ihm zu Hause wie bestellt und hatte keine Ahnung, was eigentlich vor sich ging.
    Eine Fügung, die er bis zu diesem Augenblick in der Küche ausgekostet hatte. Und nun sollte Ilka an diesem Zauber teilhaben.
    »Den Aki Polder habe ich besucht«, sagte er und kratzte sich an beiden Wangen, als wäre er aufgeregt und verlegen. Dabei war er ruhig und entschlossen. »Deinen alten Freund aus der Grundschule. Ich hatte einen Auftritt in der Nähe seiner Wohnung, da dachte ich, dass es interessant wär, ihn zu treffen.«
    Ihm fiel auf, wie geziert der Satz klang, ungelenk, als versuche er, einen komplizierten Sachverhalt in möglichst einfache Worte zu kleiden.
    Hatte er jemals gedacht, etwas sei interessant? Aki Polder war für ihn schon in der Schule das Gegenteil eines interessanten Menschen gewesen. Niemand hatte je an Aki Interesse gezeigt, außer der kleinen rothaarigen Milka-Ilka, die ihn dann jeden Tag im Krankenhaus besuchte und bemitleidete, weil er so unglücklich vom Baum gestürzt war.
    Er sah die Frau an, die neben ihm am Küchentisch saß.
    Ihre Haare waren nicht mehr rot, sondern braun, das war ihm bisher nicht aufgefallen. Ob die neue Farbe ihm besser gefiel, wusste er noch nicht, sie veränderte Ilka jedenfalls nicht, fand er. Ihre Erscheinung blieb so blass wie immer. Außerdem war seine Zuneigung unabhängig von Ilkas Haarfarbe.
    »Er hat sich sehr gefreut.« Das klang nicht weniger gestelzt, fand er. »Wir haben uns über die alten Zeiten unterhalten, und über die neuen. Er hat mir sogar ein Bier angeboten, das war freundlich. Wir haben auch über dich gesprochen. Er hat sich nach dir erkundigt, ich sagte ihm, wir hätten uns zufällig auf der Straße getroffen. Natürlich habe ich kein Wort darüber verloren, dass du bei mir bist. Unsere Begegnung ist einen Monat her, oder länger. Es geht ihm gut, was er genau macht, weiß ich nicht, er ist zurückhaltend, und ich wollt nicht aufdringlich sein. Wollt nur mal Hallo sagen. Er war überrascht, das ist klar. Blass ist er, fast wie du. Wir haben verabredet, dass wir in Kontakt bleiben, lose, ohne Verpflichtungen. Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich dir erst jetzt davon erzähl. Die Frage ist berechtigt. Ich hielt’s nicht für wichtig. Auch nicht für interessant genug. War ja nur ein Blitzbesuch. Ich soll dich von Aki grüßen, sagt er, falls wir uns noch mal sehen sollten. Verschlossener Typ, der Aki.«
    »Er heißt nicht Aki«, sagte Ilka, ohne jede Betonung. »Er heißt Gregor. Niemand hat ihn Aki genannt, nur du.«
    Sie faltete die Zeitung zusammen, strich mit der Faust über die oberste Seite, als wollte sie sie glätten, und schob die Zeitung zum Tischrand, neben ihr Handy. Sie setzte sich aufrecht hin, legte den Kopf schief, schwieg eine Zeitlang und sah Zeisig in die

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