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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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»Aber niemand weiß, wo sie sein könnte.«
    »Niemand hat sie …« Er blätterte in seinem Notizblock. »… nach dem ersten Juni gesehen?«
    »Nein.«
    »Du lügst.«
    »Ich lüge doch keinen ehemaligen Kollegen an.«
    »Mich schon.«
    »Wir machen unsere Arbeit …«
    »Und ich mache meine. Wir sollten unsere Informationen austauschen und dann entscheiden, wie wir weitermachen, du mit deiner Arbeit, ich mit meiner.«
    »Hast du neue Informationen für mich, Süden?«
    »Nein.«
    »Klingt, als würdest du schwindeln.«
    »Ich würde niemals eine ehemalige Kollegin anschwindeln.«
    »Wirklich nicht?«
    »Niemals.« Süden ging in seinem Wohnzimmer auf und ab.
    »Der Hinweis, den wir bekommen haben«, sagte Birgit Hesse, machte eine Pause und senkte die Stimme. »Ich glaub nicht, dass der uns weiterbringt, aber zwei Kollegen sind jetzt trotzdem vor Ort und schauen sich um.«
    Süden schwieg, wechselte das Telefon ans linke Ohr. Aus stumpfer Gewohnheit, der er seit zwei Tagen unbemerkt verfallen war, hatte er vom Handy aus im Kommissariat 14 angerufen anstatt vom Festnetz.
    »Ich spreche vom Tierpark«, sagte die Kommissarin. »Ein Zeuge will die Frau vor zwei Tagen in Hellabrunn gesehen haben. Ich mach mir keine großen Hoffnungen.«
    »Am Sonntag im Zoo«, sagte Süden. »Trotz des schlechten Wetters waren bestimmt mehrere hundert Besucher dort. Vor welchem Gehege will der Zeuge Ilka gesehen haben?«
    »Bei den Pinguinen.«
    »Warum fiel sie ihm auf?«
    »Er sagt, sie habe mit den Pinguinen hinter der Glasscheibe geredet, oder mit sich selbst, das war ihm nicht ganz klar. Jedenfalls wurde seine kleine Tochter auf die Frau aufmerksam und somit er auch.«
    »Was hatte sie an?«
    »Du darfst mich nicht aushorchen. Mehr kann ich dir nicht sagen. Was hast du mir zu bieten? Einen Namen?«
    »Nein.«
    »Der Zeuge kann sich nicht genau erinnern, sie trug wohl einen Mantel und eine Schildmütze, du weißt schon, mit einem Schild vorn.«
    »Ich weiß«, sagte Süden. »Und auf dem Schild stand: Sucht mich nicht: Ilka.«
    »Was ist mit dem Namen? Welche Spur verfolgst du?«
    »Ich spreche mit Leuten, wie mit dir. Warum glaubst du, dass die Tierpark-Spur nichts bringt?«
    »Aus dem Grund, den du genannt hast: zu viele Leute, und er hat die Frau nur kurz gesehen, flüchtig, er war abgelenkt von seiner Tochter.«
    »Trotzdem hat er bei euch angerufen.«
    »Das heißt nichts. Jetzt rück mit deinem Namen raus.«
    »Süden«, sagte er. Dann: »Ich bin mir noch nicht sicher.« Das Lügen fiel ihm ein wenig schwer. »Heute Abend weiß ich vielleicht mehr. Wir könnten uns auf ein Bier treffen.«
    »Sag mir den Namen.«
    »Heute Abend. Ich muss noch Gespräche führen.«
    »Du sprichst bereits mit mir.«
    »Um acht im Augustiner in der Neuhauser Straße.«
    »Du willst mich austricksen«, sagte die Kommissarin. »Das mag ich nicht.«
    »Ich trickse dich nicht aus. Bis heut Abend.«
    »Da kannst du lange warten.«
    »Ich warte.«
    Sie beendeten das Gespräch. Süden zog endlich seine frischen, trockenen Sachen an, nahm seinen alten moosgrünen Regenschirm von der Garderobe und machte sich auf den Weg zur Tram-Haltestelle.
    Wie immer, wenn er einen Schirm dabeihatte, hörte es schlagartig auf zu regnen.
     
    Für den Kreuzworträtsel lösenden Wirt bedeutete das Auftauchen des Detektivs keine Unterbrechung seiner Ruhetagstätigkeit. Diese bestand nicht nur im akkuraten Ausfüllen quadratischer Kästchen, sondern vor allem, dachte Süden, im absoluten Ignorieren der Umwelt. Weder das Öffnen und Schließen der Wohnzimmerschranktür durch seine Frau noch deren Hinweis auf Südens Anwesenheit, geschweige denn Südens Begrüßung veranlassten Dieter Nickl zu einer Reaktion, die über das Dirigieren seines blauen Kugelschreibers hinausging.
    »Setzen wir uns in die Küche«, sagte Charlotte Nickl, die eine bunte Schürze und darunter ein erdbeerfarbenes Hauskleid trug. Sie hatte ihre Haare hochgesteckt und machte einen munteren Eindruck.
    Wie die Möbel im Wohnzimmer war auch die Kücheneinrichtung in dunklem Braun gehalten, der Steinboden glänzte nicht weniger als die Kacheln an der Wand. Auf dem Herd standen zwei Töpfe, und es roch nach würziger Suppe.
    Von einem Bertold Zeisig hatte die Wirtsfrau noch nie etwas gehört. »Ich kenn Ilkas Freunde nicht«, sagte sie. »Ich weiß gar nicht, ob sie welche hat.«
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte Süden. »Sie haben in letzter Zeit kaum mehr mit ihr gesprochen.«
    »Wer sagt

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